EU-Mercosur: Der umstrittene Freihandelspakt einfach erklärt
Obwohl Österreich die Unterzeichnung des Abkommens abgelehnt hat, könnte EU-Mercosur schon bald in Kraft treten. Wir erklären, wie das möglich ist und welche Folgen damit für die Umwelt, das Klima und unsere heimische Landwirtschaft drohen.
Die Antwort Österreichs war klar und deutlich: Alle Parteien außer den NEOS stimmten 2019 mit einem klaren Nein gegen die Unterzeichnung des EU-Mercosur-Freihandelsabkommens. Zu groß waren die Bedenken hinsichtlich der ökologischen und sozialen Auswirkungen. Da der Vertrag einstimmig von allen Mitgliedstaaten der EU beschlossen werden musste, galt die Absage aus Österreich faktisch als Veto.
Es schien, als wäre “EU-Mercosur” vom Tisch. Doch einige Befürworterländer, wie etwa Spanien, Deutschland oder Schweden sowie die EU-Kommission wollen den Pakt nun doch noch durchsetzen. Ein Verfahrenstrick könnte dabei helfen, den Widerstand Österreichs und anderer Länder einfach auszuhebeln.
Umweltschützer:innen gehen angesichts der drohenden Durchsetzung des Pakts auf die Barrikaden. Doch warum eigentlich? Höchste Zeit, dass wir uns “EU-Mercosur” noch einmal genauer ansehen.

Was war nochmal der Mercosur?
Mercosur steht als Kürzel für “Mercado Común del Sur”, also “Gemeinsamer Markt des Südens” und bezeichnet eine Zollunion mit freiem Handel in Südamerika. Sie wurde 1991 von Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay gegründet. Ende 2023 wurde Bolivien als fünfter Mitgliedstaat in den Bund aufgenommen.
Das wirtschaftliche Interesse der EU am Mercosur kommt nicht von ungefähr: Nach der EU und der NAFTA (USA, Kanada & Mexiko) ist der Mercosur der drittgrößte Markt der Welt und der größte Markt Südamerikas. Er umfasst rund 278 Millionen Einwohner:innen und etwa 73 Prozent der Fläche Südamerikas. Sein großes Wirtschaftsvolumen macht ihn zu einem attraktiven Handelspartner.
Ziel des EU-Mercosur-Freihandelsabkommens: Fleisch gegen Autos und Pestizide
Seit über 20 Jahren verhandeln EU und Mercosur bereits über ein Freihandelsabkommen. Der Pakt soll den Handel zwischen den Partnern erleichtern, indem etwa Zoll-Gebühren gesenkt oder ganz abgeschafft werden.
Ziel des Abkommens ist es, vor allem den Handel mit Agrarprodukten, wie Fleisch und Zucker, Chemikalien, wie Pestizide, sowie Verbrenner-Fahrzeugen anzukurbeln. Profitieren würden in erster Linie die europäische Automobil- und Chemieindustrie sowie die südamerikanische industrielle Großlandwirtschaft.
Es sind vor allem umwelt- und gesundheitsschädliche Produkte, die durch das Abkommen gefördert werden, obwohl wir die Produktion und den Verbrauch dieser Waren eigentlich reduzieren sollten. Gegner:innen befürchten durch den EU-Mercosur-Handelspakt deshalb einen gefährlichen Rückschritt beim Klima- und Naturschutz.

Was kritisieren Gegner:innen des Abkommens?
Als 2019 der Vertragstext des Abkommens veröffentlicht wird, schrillen bei Umweltorganisationen, Wissenschaftler:innen, Indigenen und Gewerkschafter:innen die Alarmglocken.
Ihre Befürchtungen werden bestätigt: Viele der Waren, deren Austausch das Abkommen ankurbeln soll, fördern Umweltzerstörung, Klimakrise, Artensterben, soziale Ausbeutung und Menschenrechtsverletzungen.
So legt der Pakt etwa die Rutsche für noch mehr Fleisch, Zucker und Ethanol in die EU – Waren, die in Südamerika unter sozial und ökologisch fragwürdigen Bedingungen hergestellt werden.
Umgekehrt würde die EU durch den Pakt noch größere Mengen schädlicher Pestizide und Verbrenner-Autos in den Mercosur liefern. Nicht nur die Umwelt vor Ort wäre bedroht, auch für den Klimaschutz wäre die Entwicklung fatal. Denn wenn wir den Handel und das Wirtschaftswachstum weiter ankurbeln, ohne die Folgen für die Artenvielfalt und natürliche Ressourcen zu beachten, beschleunigen wir die Klimakrise zusätzlich.

Die 3 Haupt-Kritikpunkte im Detail:
1. Noch mehr billiges Fleisch aus Umweltzerstörung in den Regalen
Schon jetzt werden in Südamerika riesige Waldflächen gerodet, um Platz für gigantische Rinderfarmen und Futtermittel-Plantagen mit Gentechnik-Soja zu schaffen. 90 Prozent der Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes gehen seit 1970 auf die Rinderzucht zurück.
Wird Rindfleisch durch Zoll-Erleichterungen nun noch günstiger, nimmt die Nachfrage und damit die Produktion zwangsläufig zu. Laut EU-Kommission könnten die EU-Rindfleischimporte aus Südamerika durch das Abkommen um bis zu 64 Prozent in die Höhe schießen.
Die Abholzung der südamerikanischen Wälder hat bereits ein dramatisches Ausmaß erreicht. Das Abkommen würde die Zerstörung noch beschleunigen – mit fatalen Folgen für das Weltklima. Denn die Wälder speichern große Mengen Kohlenstoff. Verlieren wir sie, erwärmt sich unsere Erde noch schneller.

Was bedeutet das für Österreich?
Die österreichischen Bäuer:innen werden massiv unter Druck geraten, wenn unsere Supermarktregale mit südamerikanischem Fleisch geflutet werden.
Das Fleisch aus dem Mercosur wäre günstiger, aber auch oft von minderer Qualität. Die billige Herstellung von Fleisch im Mercosur-Raum ist möglich, weil dort mit niedrigeren Standards produziert wird. So werden Rinder etwa routinemäßig mit wachstumsfördernden Antibiotika gefüttert. Auch Zusätze mit hormoneller Wirkung werden dem Futter beigemischt.
Beide Praktiken sind aus gutem Grund in Europa verboten. Erlaubt ist der Import von Fleisch aus Südamerika aber trotzdem. Das minderwertige Ramsch-Fleisch aus Übersee könnte heimische Produkte aufgrund seines Preisvorteils verdrängen und damit auch die österreichischen Betriebe vom Markt stoßen. Wir riskieren, viele unserer Kleinbäuer:innen zu verlieren.

Warum hilft das EU-Waldschutzgesetz nur bedingt?
Ende 2022 hat die EU ein Gesetz erlassen, das verhindern soll, dass Produkte aus Waldzerstörung in der EU auf den Markt gelangen. Das Gesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung, es weist aber noch einige Lücken auf.
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So werden einige “waldähnliche” Flächen und andere wichtige Ökosysteme im aktuellen Gesetz noch nicht berücksichtigt. Bedroht sind etwa weiterhin die Trockenwälder des Gran Chaco sowie der brasilianische Cerrado, die weltweit artenreichste Savanne. Auch sie spielen für das Weltklima eine wesentliche Rolle. Durch den EU-Mercosur-Pakt könnten sie noch schneller als bisher zerstört werden.
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Auch die Nachhaltigkeit verwendeter Futtermittel wird nicht berücksichtigt. Rinder werden weiterhin mit Soja gefüttert, das auf abgeholzten Waldflächen angebaut wird. Ihr Fleisch darf trotzdem in die EU importiert werden.
2. Noch mehr giftige Pestizide auf den Feldern
Europäische Chemieunternehmen, etwa BAYER aus Deutschland, produzieren giftige Pestizide, die aufgrund der nachgewiesenen Gefahren für die Umwelt und die Gesundheit der Menschen in der EU nicht zugelassen sind. Herstellen und exportieren dürfen die Konzerne ihre schädlichen Produkte dennoch. Sie verkaufen sie einfach an Länder mit lockereren Regelungen.
Schon jetzt werden große Mengen gefährlicher Umweltgifte nach Südamerika geliefert. Allein in Brasilien hat sich ihr Einsatz in den vergangenen 20 Jahren versechsfacht. Pro Hektar hat das Land nach China den zweitgrößten Pestizidverbrauch weltweit. Der EU-Mercosur-Pakt wird die Ausfuhr dieser Chemikalien noch fördern.
Pestizide vergiften Tiere und Pflanzen, dringen in den Boden ein und verseuchen das Grundwasser. Auch die Arbeiter:innen auf den Feldern sowie die Bewohner:innen angrenzender Dörfer sind gefährdet. Sie atmen die Chemikalien ein oder trinken verunreinigtes Wasser. Gesundheitliche Schäden bis hin zu Krebserkrankungen können die Folgen sein.
Doch nicht nur die Menschen vor Ort kommen mit dem Gift in Kontakt: Zwar dürfen viele Pestizide in der EU nicht verwendet werden, der Import von Produkten, die damit außerhalb der EU behandelt wurden, ist allerdings erlaubt. So landen beispielsweise belastete Früchte, wie Limetten oder Mangos, in unseren Supermärkten, wie Tests von Greenpeace wiederholt nachgewiesen haben.

3. Noch länger klimaschädliche Verbrenner auf den Straßen
Die EU hat zum Schutz des Klimas das Aus für Autos mit Verbrennungsmotor angekündigt. Ab 2035 sollen in der EU nur noch Neuwagen verkauft werden, die beim Fahren keine Treibhausgase mehr ausstoßen.
Klingt vernünftig, schont das Klima aber wenig, wenn europäische Unternehmen, wie etwa VW, die produzierten Verbrenner einfach im Mercosur-Raum verkaufen und diese von dort aus die Atmosphäre aufheizen. Genau diese Entwicklung wird das geplante Abkommen durch die Zoll-Erleichterung begünstigen. Noch Jahrzehnte lang wird die europäische Automobilindustrie mit den im Mercosur verkauften Verbrenner-Autos Gewinne auf Kosten des Klimas einfahren.

Status Quo: Wird der Widerstand Österreichs ausgehebelt?
Bis Ende 2024 haben die EU-Kommission und die Mercosur-Staaten nachverhandelt und sich schließlich auf ein finales Handelsabkommen geeinigt. Trotz Zusatzklauseln im Vertrag bleibt der Pakt aber hochumstritten: Nach wie vor sind die Mängel in Bezug auf den Schutz von Klima, Umwelt und Menschenrechten gravierend.
So wird das ohnehin schon lückenhafte EU-Waldschutzgesetz für die Staaten des Mercosur durch entsprechende Klauseln im Pakt zusätzlich abgeschwächt. Dem gut klingenden Bekenntnis zu den Pariser Klimazielen fehlt jegliche Durchsetzbarkeit und hinter Zugeständnissen zum Umweltschutz verbergen sich nur leere Versprechungen.
Zudem wurde ein Mechanismus eingebaut, der es Handelspartnern in Zukunft erlaubt, Strafzölle zu verhängen, wenn z. B. Umweltauflagen erlassen werden, die in der Wahrnehmung des Handelspartners deren Geschäftsinteressen schädigen. Im Grunde heißt das, wir würden bestraft, wenn wir keine Produkte aus Umweltzerstörung wollen!
Damit der Pakt in Kraft tritt, ist nun die Zustimmung aller EU-Mitgliedstaaten erforderlich. Zwar lehnen Staaten wie Österreich das Abkommen weiterhin ab, die EU-Kommission hat jedoch eine umstrittene Strategie in der Hinterhand: Mithilfe des sogenannten „Splitting“-Verfahrens könnte sie den Pakt teilweise durchsetzen – selbst wenn einzelne Länder dagegen sind. Mit diesem Trick könnte sie die demokratische Kontrolle umgehen und den Widerstand der Mitgliedstaaten aushebeln.

1. Trickserei oder alles rechtens: Was passiert beim “Splitting”?
Um die Zustimmung einzelner EU-Länder zum Abkommen zu umgehen, kann die EU-Kommission den Pakt in einen politischen Teil (Assoziierungsabkommen) und einen wirtschaftlichen Teil (Handelsabkommen) aufteilen. Das Verfahren nennt sich “Splitting”.
Der wirtschaftliche Teil könnte dann ohne Mitsprache der nationalen Parlamente beschlossen werden. Es reicht eine qualifizierte Mehrheit im EU-Rat und eine einfache Mehrheit im EU-Parlament.
Um den Abstimmungsprozess zu ändern und damit das gewünschte Ergebnis zu erzielen, würde die EU-Kommission eine rechtliche Grauzone ausnutzen: Die Aufteilung des Vertrags ist rechtlich umstritten. Kritiker:innen bewerten das Vorgehen als demokratiepolitisch höchst bedenklich.
2. Wird der Plan aufgehen?
Die EU-Kommission wird versuchen, möglichst viele EU-Länder von der Verfahrensänderung zu überzeugen. Erst, wenn eine qualifizierte Mehrheit im EU-Rat sicher ist, wird die Kommission das Vorgehen dort zur Abstimmung bringen.
Welche Länder sich überzeugen lassen werden, ist schwer absehbar. Man kann nicht zwingend davon ausgehen, dass alle Befürworter des Abkommens sich für die Änderung des Abstimmungsprozesses aussprechen werden. Denn damit wäre ein Präzedenzfall geschaffen und der “Verfahrenstrick” könnte zum Usus werden. Länder, die diesmal vom Splitting profitieren, könnten in zukünftigen Situationen auch im Nachteil sein.
Was tut Greenpeace?
Greenpeace bezieht eindeutig Stellung gegen EU-Mercosur und wird den Druck auf die Verantwortlichen weiter verstärken. Unser Ziel ist es, den Pakt endgültig zu stoppen.
Wir setzen uns für faire Handelsabkommen ein, die unsere hohen ökologischen und sozialen Standards schützen. In Österreich hergestellte Produkte sind von ausgezeichneter Qualität. Viele Menschen leisten dafür harte Arbeit. Auf keinen Fall dürfen wir ihre Leistung aufs Spiel setzen.
Gefahren für die Umwelt müssen bei Verhandlungen von Anfang an einen zentralen Stellenwert einnehmen. Das geplante Abkommen mit seinen zum Teil zwanzig Jahre alten Ansichten wird diesen Ansprüchen in keiner Weise gerecht. Trotz kleiner Nachbesserungen folgt der Vertrag wirtschaftlichen Interessen und verdrängt Gefahren für die Umwelt in Randnotizen.
Statt Agrarexporten zu Dumpingpreisen Tür und Tor zu öffnen, muss die Produktion regionaler Bio-Lebensmittel in der EU gefördert werden. Dann können nicht nur heimische Landwirt:innen aufatmen. Auch das Weltklima, die Naturräume Südamerikas sowie die Gesundheit der Bewohner:innen der Mercosur-Staaten und europäischer Konsument:innen sind so vor zusätzlichen Bedrohungen bewahrt.

Der EU-Mercosur-Pakt bringt einen Geldregen für große Konzerne, auf Kosten der Natur und der österreichischen Landwirtschaft. Die EU-Staaten müssen dieses giftige Abkommen jetzt klar ablehnen.
Sebastian Theissing-Matei
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Giftige Pestizide auf Mangos und Melonen, Billigfleisch aus katastrophaler Produktion in unseren Supermärkten und ein gnadenloser Preiskampf für unsere Bäuerinnen und Bauern. Das alles droht uns, wenn das EU-Mercosur-Abkommen beschlossen wird. Wir fordern ein endgültiges aus für den gefährlichen Handelspakt!
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