Mülldeponie-Skandal in St. Pölten: Greenpeace deckt auf
Wenn Müll falsch und unbehandelt auf einer Deponie landet, drohen Gefahren für Grundwasser, Luft und Anrainer:innen. Genau aus diesem Grund gibt es in Österreich und der gesamten EU seit 2008 auch strenge Auflagen für Abfallbehandlung. Durch Hinweise aus der Bevölkerung konnte Greenpeace jetzt den mutmaßlich größten Deponie-Skandal der jüngeren Geschichte auf der Deponie „Am Ziegelofen“ in St. Pölten aufdecken.
Was hat Greenpeace in St. Pölten entdeckt?
Im Spätsommer 2024 haben wir erste Hinweise erhalten, dass auf einer Deponie in St. Pölten Müll unsachgemäß entsorgt wird. Aufgrund der Hinweise war unser Investigativ-Team in den folgenden Monaten regelmäßig vor Ort, um die mutmaßlichen Missstände zu dokumentieren. Was wir fanden, war erschreckend: Große Vogelschwärme umkreisen das Areal. Heftiger Gestank ist je nach Windrichtung wahrnehmbar. Der Berg selbst ist in steter Bewegung, wie ein Ameisenhaufen: Lastwagen, Bagger, Planierraupen und Maschinen zum Verdichten bewegen sich auf den gewaltigen Müllmassen.

Live konnten wir beobachten, wie Tonnen von unbehandeltem Restmüll (unter anderem Matratzen, Plastikeimer und andere Abfälle) auf einer Fläche von über 20.000 Quadratmetern vergraben wurden. Das ist nicht nur illegal, sondern auch besorgniserregend , denn Restmüll enthält Schad- und Problemstoffe wie Batterien, Altmedikamente und chemische Rückstände. Diese Stoffe können erhebliche Schäden an Böden, Gewässern und der Gesundheit der Menschen anrichten.
Wer ist für die Deponie verantwortlich?
Die Deponie “Am Ziegelofen” wurde 2019 von der Stadt St. Pölten an die Zöchling Abfallverwertungs GmbH verkauft und privatisiert. Das Unternehmen startete einen großen Umbau der Deponie. Seitdem gab es immer wieder Beschwerden über Geruchsbelästigungen, Müllverwehungen und sogar Müllimporte aus dem Ausland. Eine Bürgerinitiative machte jahrelang die Missstände aufmerksam. Trotzdem passierte nichts, bis zu dem Zeitpunkt als Greenpeace einschritt.
Was waren die nächsten Schritte?
Nachdem wir über mehrere Monate die Missstände auf der Deponie dokumentiert und ausgewertet haben, informierten wir die zuständigen Behörden. Am 28. November konnten wir den Beamt:innen des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) das relevante Bild- und Videomaterial vorlegen und übergeben. Durch das BMK wurden die zuständigen Stellen in Niederösterreich informiert, die auch Zugriff auf die gesammelten Beweise erhielten.

Aufgrund der gesammelten Hinweise kam es am 12. Dezember 2024 zu einer unangekündigten Vor-Ort-Überprüfung der Deponie. Dabei wurde Material entdeckt, das nicht die Voraussetzungen für eine Deponierung erfüllt. Um weitere, großräumige Untersuchungen nicht zu behindern, wurde die Deponie vorläufig geschlossen.
Ist der Skandal größer als bisher angenommen?
Im Anschluss an die Sperrung der Deponie hat das Greenpeace Investigativ-Team weiter nachgeforscht und Luft- und Satellitenbilder von 2007 bis 2024 aufgewertet. Dabei konnten wir vier neue Verdachtsflächen für Falschdeponierung entdecken. Deshalb fordern wir von den Behörden, dass die den bereits sehr großen Suchradius von 20.000 Quadratmetern um etwa das Doppelte erweitern. Außerdem muss auch die Suchtiefe - die derzeit bei 10 Metern liegt - angepasst werden.
Greenpeace erstattet Strafanzeige
Am 14. März 2025 haben wir bei der Staatsanwaltschaft St. Pölten eine Sachverhaltsdarstellung gegen die Zöchling Abfallverwertung GmbH eingereicht. Die Aufnahmen von Ort und die Auswertung von historischen Satelliten- und Luftbildern legen nahe, dass die Falschdeponierung bereits seit längerem läuft und gewaltige Mengen betrifft. Wir vermuten ein womöglich strafrechtlich relevantes Verhalten nach §181b des Strafgesetzbuches.
Nach §181b Abs 1 Z 4 StGB ist strafbar, wer entgegen einer Rechtsvorschrift oder einem behördlichen Auftrag Abfälle so sammelt, befördert, verwertet, beseitigt, diese Tätigkeiten betrieblich überwacht oder so kontrolliert, dass dadurch ein Beseitigungsaufwand von mehr als 50.000 Euro entstehen kann. Greenpeace sieht eine Übertretung dieser Norm als erfüllt an, da dafür bereits die Menge von rund 500 Tonnen unbehandeltem Müll ausreicht. Das entspricht etwa zehn Ladungen eines Lastwagens. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.
Wie können solche Skandale in Zukunft vermieden werden?
Der Handel mit Müll ist ein gutes Geschäft. Immer wieder wurden in den vergangenen Jahren Skandale rund um die unsachgemäße Entsorgung, Transport und Deponierung aufgedeckt. Um diese Skandale zu verhindern, braucht es unangekündigte, regelmäßige Kontrollen durch wechselnde Prüfteams aus anderen Bundesländern und eine öffentlich zugängliche Dokumentation aller Kontrollergebnisse von Deponien.
Denn die illegale Entsorgung von Müll ist nicht nur ein Verstoß gegen geltende Umweltgesetze, sondern auch eine massive Bedrohung für Mensch und Natur.
Update 14. März 2025: Der Artikel wurde mit den Informationen zur Strafanzeige ergänzt.
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