Antibiotika-Resistenz einfach erklärt
Fragen & Antworten
Die übertriebene Verwendung von Antibiotika wird für uns alle zum Riesenproblem – und wir müssen sie eindämmen, wo wir können. Der beste Weg dazu: Verbesserte Tierhaltung, damit die Ställe gar nicht erst zu Seuchenherden werden können. Unterschreib jetzt für bessere Tierhaltung und einen Stopp des Antibiotika-Wahnsinns!
Fragen & Antworten
Antibiotika sind von Pilzen oder Bakterien produzierte Stoffwechselprodukte oder synthetisch hergestellte Stoffe, welche NUR Bakterien abtöten oder hemmen. Gegen andere Krankheiten, wie Viren- und Pilz-Infektionen oder Parasitenbefall, sind Antibiotika wirkungslos. Man unterscheidet zwischen verschiedenen Antibiotika-Gruppen, eine der bekanntesten ist die Penicillin-Gruppe. Antibiotika haben unterschiedliche Therapiewirkung, manche wirken gegen viele verschiedene Bakterienarten (Breitbandantibiotikum) und manche Antibiotika wirken nur gegen spezifische Bakterienarten.
Antibiotika-Resistenz kann von Bakterien ausgebildet werden. Wird eine Bakterien-Infektion mit einer zu geringen Menge an Antibiotika oder mit dem falschen Antibiotikum behandelt, überleben einige Bakterien, welche durch die geringere Konkurrenz einen Fortpflanzungsvorteil haben und sich schnell vermehren. Viele Mikroorganismen besitzen eine kurze Generationszeit, ihre Biomasse kann sich unter günstigen Bedingungen schon innerhalb von 20 bis 30 Minuten verdoppeln. Vorteilhafte Mutationen können sich so relativ schnell ausbreiten. Verstärkt wird diese Tendenz durch eine Reihe „mobiler Elemente“. Das sind DNA-Abschnitte, die im Bakterienchromosom oder außerhalb davon als Plasmide, Integrone oder Transposonen vorkommen. Die Wirksamkeit von Antibiotika-Gruppen hat also ein Ablaufdatum, auch da die Bakterien Resistenzen auch interspezifisch (zwischen verschiedenen Bakterienarten) weitergeben können. Das bedeutet, ein resistentes Bakterium kann durch DNA-Austausch einem noch nicht resistenten Bakterium einfach und schnell zur Resistenz „verhelfen“.
Multiresistente Keime sind Bakterien, die verschiedene Resistenzgene„gesammelt“ haben, wodurch sie gegen viele verschiedene Antibiotika resistent sind. Manchmal findet man bis zu 16 Resistenzen auf einem DNA-Ring (Plasmid). Bakterien haben ein einziges Chromosom und einige DNA-Fragmente (z.B. Plasmide), welche sich unabhängig vom Chromosom replizieren können. Die Erbinformation auf dem Plasmid ist nicht überlebenswichtig für das Bakterium. Bei dem multiresistenten Keim MRSA liegt die Resistenz auf dem Chromosom, dies bedingt eine langsamere Zellteilung als andere Bakterien, weil sie mehr Erbinformation weitergeben müssen.
Multiresistente Keime:
MRSA (Methicillin/Oxacillin-resistenter Staphylococcus aureus) verursacht Lungen- und Harnwegsentzündungen sowie Blutvergiftungen. Es gibt drei verschiedene Stämme von MRSA-Keimen: (1) ha-MRSA („healthcare-associated MRSA; “Krankenhaus-MRSA”), (2) ca-MRSA („community-associated MRSA“) und (3) la-MRSA („livestock-associated MRSA”;“Tier-MRSA”). Die drei Stämme unterscheiden sich in Bezug auf die Antibiotika, gegen die sie resistent sind und die Virulenz. Die la-MRSA-Keime haben die besten Voraussetzungen, zukünftig auch den Menschen als Wirt anzunehmen.
ESBL (Extended Spectrum Beta-Laktamasen): Im Unterschied zu MRSA handelt es sich bei ESBL nicht um einen bestimmten resistenten Bakterientyp, sondern um die Fähigkeit von Bakterien, Enzyme zu produzieren, die bestimmte Antibiotika unwirksam machen. Standard-Therapien greifen hier nicht mehr. ESBL-produzierende Darmkeime, z.B. E. coli, können Wund- und Harnwegsinfektionen, Blutvergiftung, Entzündungen im Bauchraum und Lungenentzündungen auslösen. Die Fähigkeit, ESBL zu produzieren, kann von Bakterien auch artübergreifend übertragen werden, z.B. von E. coli auf Salmonellen oder Klebsiellen. Der Austausch geschieht über Plasmide, mobile DNA-Ringe, die leicht an andere Keime weitergegeben werden können. Produziert ein Keim ESBL, so ist das Risiko deutlichhöher, dass ein Patient an einer Blutvergiftung stirbt.
Multiresistente Keime sind wie alle Bakterien über direkten Kontakt übertragbar, sie befinden sich überall in unserer Umgebung und wir tragen auch ständig potentiell gefährliche Bakterien auf unserer Haut. Doch unsere Haut hält durch ihre antibakterielle Abwehrwirkung (chemische und physische Barriere) im Regelfall die Bakterien aus unserem Körper draußen. Bei kleinen Verletzungen, z.B. in der Schleimhaut im Mund, können sich Bakterien besser ansiedeln und rufen Infektionen hervor.
Eine Kontamination ist nicht gleichbedeutend mit Erkrankung. Es bedeutet lediglich, dass ein Mensch den Keim auf sich trägt und diesen potentiell an andere Menschen oder Tiere weitergeben kann. Besonders in Krankenhäusern stellt dies ein Problem dar.
Wir alle sind von den Gefahren, die von multiresistenten Bakterien ausgehen, betroffen, denn wir alle brauchen wirksame Antibiotika zur Behandlung bakterieller Infektionen. Besonders gefährdete Personengruppen sind jedoch: LandwirtInnen und ihre Angestellten, TierärztInnen, Schlachthauspersonal, AnrainerInnen von Intensivtierhaltungsanlagen, Spitalsangestellte.
Die Übertragung multiresistenter Bakterien findet statt durch:
- Krankenhausaufenthalte: Durch die hohe Konzentration an kranken Menschen und an Antibiotika werden in Spitälern besonders oft multiresistente Keime gefunden bzw. übertragen. Personen mit schwachem Immunsystem oder Infektionen sind besonders gefährdet, da ihr Körper mit dem resistenten Keim nicht umgehen können. Infolge können einfache Krankheiten zu wochenlanger Behandlungsdauer und im schlimmsten Fall sogar zum Tod führen.
- den Kontakt mit infizierten Personen: Jede/r kann multiresistente Keime in sich tragen und diese an andere Personen weiter geben. Dies führt nicht zwangsläufig zum Ausbruch einer Infektion.
- den Kontakt mit infizierten Tieren: Der flächendeckende Einsatz von Antibiotika in der konventionellen Landwirtschaft begünstigt die Ausbreitung multiresistenter Keime massiv. In den Ställen besiedeln diese Keime nicht nur die Tiere, sondern auch Menschen, die mit den Tieren in Berührung kommen.
- Nähe zu einem Betrieb mit Intensivtierhaltung: Durch die Ausscheidungen der Tiere gelangen multiresistente Keime auch in das Grundwasser, in Böden und in die Luft. Dies sollten besonders AnrainerInnen von Intensivtierhaltungsanlagen beachten.
- den Kontakt mit kontaminiertem rohen Fleisch: Erst das Erhitzen des Fleisches tötet multiresistente Keime ab.
- den Kontakt mit Gemüse aus konventioneller Landwirtschaft: Durch die Verwendung der Gülle infizierter Tiere zum Düngen der Felder können multiresistente Keime auch auf unser Gemüse gelangen.
Bakterien können durch die Verletzung der Körperbarriere (Haut und Schleimhaut) in den Körper eindringen und Infektionen hervorrufen. Eine Viruserkrankung verursacht auch eine Verletzung der Schleimhaut, wodurch eine sekundäre Bakterieninfektion folgen kann. Aus diesem Grund werden oft auch bei Viruserkrankungen Antibiotika eingesetzt. Die Gefahr an einer sekundären Bakterieninfektion zu erkranken, ist aber gering.
Der überdimensionale und systemisch falsche Einsatz von Antibiotika in der Human- und Veterinärmedizin gefährdet unsere Gesundheitsversorgung.
Humanmedizin
Antibiotika werden einerseits zu oft verschrieben, sogar wenn keine bakterielle Infektion vorliegt (z.B. virale Halsentzündung, Grippe). Andererseits werden Antibiotika auch häufig nicht korrekt eingenommen (die Dosis wird verringert, die Einnahme erfolgt ohne Verschreibung, etc.)
Tierzucht
Unsere Haltungsbedingungen in der konventionellen Landwirtschaft erfordern einen massiven Antibiotika-Einsatz auch für gesunde Tiere:
Zu enge Stallungen
- Zu viele Tiere pro Stallung
- Spaltenböden
- Zu frühes Wegreißen der Jungtiere von der Mutter
Da es in der konventionellen Landwirtschaft kaum möglich ist, ein einzelnes krankes Tier zu identifizieren, wird dem gesamten Bestand vorsorglich Antibiotika verabreicht (Metaphylaxe).
Unter Metaphylaxe versteht man in der Tiermedizin die Behandlung eines gesamten Tierbestands, wenn ein Einzeltier erkrankt ist. Im Zuge der Metaphylaxe werden also auch gesunde Tiere behandelt, um eine Ausbreitung der Infektion zu unterbinden. In der Praxis werden aber oft schon Medikamente vor Eintreffen der Tiere bestellt und geliefert, was einen Graubereich zwischen Metaphylaxe und Prophylaxe darstellt. Dass diese Verfahren unter Metaphylaxe fallen und somit als erlaubt angesehen werden, liegt an den heutigen intensiven Haltungsbedingungen und dem Management von Tierbeständen, bei dem mit fast 100%iger Wahrscheinlichkeit von diversen Krankheiten ausgegangen wird. Ein Beispiel hierfür ist das frühe Absetzen der Mastferkel: Die Ferkel bekommen aufgrund des frühen Absetzens von der Mutter (nach 3-4 Wochen statt nach 13 - 17 Wochen, was die natürliche Entwöhnungsphase ist) vorsorglich Antibiotika, weil sie durch die frühe und abrupte Nahrungsumstellung auf Festfutter fast immer Darminfektionen bekommen. Ähnliche Managementmaßnahmen werden bei Mastkälbern (bezüglich Durchfallerkrankung, wegen Futterumstellung) und bei Milchkühen (in Bezug auf Euterentzündungen) angewandt.
Es gibt auch in der konventionellen Tierhaltung Methoden, die einen geringeren Antibiotikaeinsatz ermöglichen. Dazu gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man verbessert die Haltungsbedingungen, die Tierzucht und die Ernährung im Sinne des Tierwohls und bekämpft somit die Ursache der hohen Krankheitsanfälligkeit, oder man vermeidet, dass Krankheitserreger in die Ställe gelangen. Bei Letzterem handelt es sich letztlich aber nur um eine Symptombekämpfung, die nicht zur Verbesserung des Tierwohls beiträgt.
Bis zu 90% der Antibiotika-Wirkstoffe werden von den Tieren direkt ausgeschieden (Schwake-Anduschus, 2012), es ist also möglich, Antibiotika in Gülle und Jauche festzustellen. Die auf Ackerflächen ausgebrachte Gülle hat einen zumindest kurzfristigen Effekt auf die Bakteriengemeinschaften im Boden und fördert die Resistenzbildung (Julius Kühn-Institut, 2014). Es können nicht nur im Boden, sondern auch in den Pflanzen, die auf den gedüngten Ackerflächen wachsen, Antibiotika-Rückstände nachgewiesen werden. Selbst im Grundwasser wurden bereits Antibiotikarückstände gefunden.
Ja, in Betrieben mit tiergerechter Haltung werden weniger Antibiotika eingesetzt als in konventionellen Betrieben. Einerseits ist es gesetzlich geregelt, dass bei der ökologischen (Bio-)Haltung nur zweimal im Jahr mit Antibiotika behandelt werden darf, und wenn die Tiere nur ein Jahr leben, dann ist auch nur eine Behandlung zulässig. Wenn die Tiere öfter krank werden und mit Antibiotika behandelt werden müssen, dann dürfen die Produkte nicht als Bioprodukte verkauft werden. Einen anderen Aspekt stellt die tiergerechte Haltung dar: Da die Tiere weniger Stress erleiden, können sie auch ein robusteres Immunsystem ausbilden.
Die metaphylaktische Behandlung ist bei den heute üblichen Haltungsbedingungen, hohen Bestandszahlen und Hochleistungszuchten kaum zu vermeiden. Würde man die metaphylaktische Behandlung untersagen, so würden ganze Tierbestände sterben. Ein Verbot der metaphylaktischen Behandlung stellt also auch einen tierschutzrelevanten Aspekt dar und kann bei Festhalten an den heutigen Haltungsbedingungen nicht umgesetzt werden. Um die Antibiotikabehandlung zu reduzieren, sind Änderungen der Haltungsbedingungen in Bezug auf Platzangebot, Bestandsdichte, Stallklima und Befriedigung ethologischer Bedürfnisse der Tiere vorzunehmen. Die Lösung liegt somit in der Änderung der Haltungsbedingungen dahingehend, dass in Zukunft eine individuelle Behandlung von Nutztieren machbar wird und robustere, weniger auf Hochleistung gezüchtete Rassen genutzt werden.
Jetzt Petition unterzeichnen!
Ja, ich will bessere Haltungsbedingungen für die Tiere und ein Ende des Antibiotika-Wahnsinns.
Petition unterzeichnen