Der Weg zur fairen Mobilität: Verkehrswende einfach erklärt
Wie alle Bereiche muss auch der Verkehr im Zuge des Kampfes gegen die Klimaerhitzung grundsätzlich neu gedacht werden. Doch es ist nicht einfach – Menschen sind von Transport abhängig. Wir erklären, wie es trotzdem gerecht gehen kann.
Warum Mobilitätswende? 6 Gründe, warum Verkehr anders werden muss.
1. Klimakrise
Die Erhitzung des Weltklimas ist die größte Bedrohung für die Gesellschaft, wie wir sie kennen. Und der Verkehr ist einer der größten Treibhausgas-Verursacher. Nicht nur das: Während die Emissionen der meisten Sektoren in den letzten Jahrzehnten EU-weit zurückgegangen sind, sind die vom Verkehr ausgestoßenen Emissionen weiter gestiegen. Am schnellsten wachsen dabei Straßenverkehr, Flugverkehr und Schifffahrt.
2. Umwelt und Gesundheit
Luftschadstoffe aus dem Straßenverkehr verringern die Lebenserwartung und sind auch für Tiere und Pflanzen gefährlich. Gleichzeitig dehnen sich gewaltige Straßennetze aus, die unverhältnismäßig viel Platz brauchen und für die immer wieder Naturräume unter Asphalt und Beton versiegelt werden.
3. Ungesunder Städtebau
Autozentrierte Stadtplanung verdrängt Menschen aus dem öffentlichen Raum, um Platz für Autos zu schaffen. Sie baut riesige Einkaufszentren am Stadtrand und lässt dafür die gewachsenen Innenstädte aussterben. Und sie fördert die Zersiedelung, denn sie ermutigt zum Wegzug in die „Speckgürtel” – was aber wieder neue Straßen braucht, wenn es viele tun … ein Teufelskreis.
4. Mobilität am Land
Die Erreichbarkeit des ländlichen Raums wurde in den letzten Jahrzehnten schlechter. Wegen geringer Auslastung wurden bei vielen regionalen Verkehrsmitteln erst die Fahrpläne ausgedünnt – und als sie dann genau deswegen noch weniger Menschen benutzten, wurden sie dann ganz eingestellt. Heute ist es in vielen Orten am Land kaum mehr möglich, ohne Auto die Alltagswege zu erledigen.
5. Soziale Probleme
Es sind überwiegend Menschen mit geringerem Einkommen, die an Luftschadstoffen leiden, weil sie in billigen Gegenden nahe dicht befahrenen Straßen wohnen, während sie selbst oft keinen Anteil am motorisierten Verkehr haben. Genauso wird die Verschmutzung durch Flugzeuge eher von reicheren Menschen verursacht (insbesondere bei Privatflügen) und Menschen mit weniger Einkommen tragen die Folgen.
Aus all diesen Gründen brauchen wir dringend eine Mobilitätswende, die den Verkehr komplett neu denkt und die Fehler der vergangenen Jahrzehnte rückgängig macht.
Was ist eigentlich die Mobilitätswende? Was ist die Verkehrswende?
Mobilitätswende und Verkehrswende bedeuten im Wesentlichen das Gleiche: Die Maßnahmen, die die oben genannten Effekte rückgängig und unsere gesamten Verkehrssysteme wieder nachhaltig machen soll – also verträglich für Klima, Umwelt und Menschen. Es geht einerseits darum, alle Menschen an sauberer, gesunder und leistbarer Mobilität teilhaben zu lassen, wo sie notwendig ist, ohne Mobilität zur Voraussetzung für die Teilhabe am Alltag zu machen.
Was braucht die Verkehrswende für Maßnahmen?
Die Mobilitätswende erfordert ein Zusammenspiel verschiedener Maßnahmen:
1. Wahl der richtigen Mittel
Vom Einkaufen zu Fuß über die Fahrt zur Arbeit mit Rad oder Öffis, bis zur Geschäftsreise mit dem Zug, jedes Mobilitätsbedürfnis hat ein Mittel, das am besten geeignet ist. Sie alle müssen zielsicher gefördert werden.
2. Ausbau nachhaltiger Verkehrsformen
Damit die Menschen auf jeder Ebene die nachhaltige Verkehrsform wählen, braucht es auf jeder Ebene ein niederschwelliges, sicheres und kostengünstiges Angebot. Das fängt bei Kleinigkeiten wie für FußgängerInnen optimierten Ampelschaltungen an, setzt bei sicheren und schnellen Fahrradwegen fort und geht hin zum (Wieder)Aufbau eines leistungsfähigen öffentlichen Nah- und Fernverkehrs.
3. Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor
Das Ende der fossilen Energien ist absehbar. Mittlerweile haben das auch viele Autohersteller verstanden. Doch damit es auch alle tun, statt die Energiewende weiter zu verzögern, braucht es den politischen Willen, fixe Zeitpunkte für den Ausstieg aus dem Verbrenner festzulegen.
4. Förderung von Elektromobilität
Während es nicht wünschenswert ist, einfach jedes Auto mit Verbrennungsmotor durch ein E-Auto zu ersetzen, können wir auch nicht jedes Auto durch Zug oder Bus ersetzen. Menschen am Land, in ihrer Mobilität beeinträchtigte Menschen oder Menschen in bestimmten Jobs werden weiter Autos brauchen. Den Umstieg zu fördern, bis die Preise für E-Autos sich an die heutigen Preise für konventionelle Fahrzeuge angepasst haben, ist Aufgabe der Politik.
5. Treibstoffe der Zukunft
Der Verkehr der Zukunft muss ohne fossile Rohstoffe wie Öl und Gas auskommen. Alle eingesetzten Energien müssen aus erneuerbarer Energie kommen. Am besten ist die direkte Nutzung von Ökostrom aus Sonne, Wind, Wasser oder Geothermie, entweder als Batterie, oder noch besser, wo immer es möglich ist, als direkte Stromabnahme (Oberleitungen). Wo eine direkte Nutzung nicht möglich ist, etwa in der nicht vermeidbaren Luftfahrt, können mit Hilfe von Ökostrom und einer erneuerbaren Kohlenstoffquelle brennbare Treibstoff produziert werden. Dazu gehören grüner Wasserstoff oder synthetisches Kerosin.
6. Anbindung von Land und Stadt
Damit es auch am Land wieder möglich ist, mit öffentlichen Verkehrsmitteln von A nach B zu kommen, braucht es gut getaktete öffentliche Anbindungen in alle Gemeinden, die es ermöglichen, das nächste regionale Zentrum zu jeder Tageszeit bequem und schnell zu erreichen. So wie es vor wenigen Jahrzehnten noch möglich war.
7. Stopp der Bevorzugung schädlicher Verkehrsformen
Die Entwicklung der letzten Jahrzehnte war kein Zufall, sie wurde bewusst durch falsche Entscheidungen gefördert. Ein Beispiel ist die Ausnahme von Kerosin aus der Mehrwertsteuer, was Flugreisen als indirekte Förderung künstlich verbilligt. Dazu gehören aber auch städtebauliche Vorschriften, die z.B. fixe Garagenplätze für Wohnungen vorschreiben. Solche Regelungen müssen beendet werden.
8. Die Schwächsten bedenken
In der Blütezeit der Idee der „autogerechten Stadt” wurden nicht nur Menschen an die Straßenränder verbannt, sondern auch gezwungen, Überführungen zu erklettern oder in unheimliche Unterführungen hinabzusteigen. Für Kinder und gebrechliche Menschen wurde die Stadt so zum feindseligen Ort. Diese Fehler dürfen nicht wiederholt werden; die Mobilitätswende muss alle wieder an der Mobilität teilhaben lassen.
9. Kleine Umkreise im Alltag
In den Zentren der gewachsenen europäischen Städte, die als die lebenswertesten der Welt gelten, ist es möglich, alle Notwendigkeiten des Alltags im kleinen Umkreis zu haben. Das moderne Konzept dafür ist die „15 Minuten-Stadt”, in der alles in Gehweite ist, was Verkehr reduziert und soziale Kontakte und Lebensqualität erhöht.
10. Neudenken von Arbeit
Bei all ihrer Tragik hat die Corona-Krise gezeigt, dass nicht mehr jeder immer Anwesenheitspflicht in Büros braucht. Remote-Arbeit ist möglich, der tägliche Arbeitsweg kann eingespart werden. Auch das kann zur Verkehrsreduktion beitragen.
11. Internationaler Transport
Der größte Teil des Internationalen Gütertransports findet über die Schifffahrt statt, ein weiterer Teil über Flugzeuge – beides große Verursacher von Umweltverschmutzung. Hier können einerseits neue Antriebsmöglichkeiten oder eine Rückkehr zu Windkraft Abhilfe schaffen. Andererseits können Regionalisierung der Produktion, langlebigere oder gemietete/ausgeborgte Produkte die Notwendigkeit dieser Transporte reduzieren. Auch der Ausstieg aus Öl und Kohle führt zu deutlich weniger Schiffsverkehr, da diese zu den Haupthandelsgüter zählen.
Was ist die Herausforderung der Mobilitätswende?
Eine Wende in der Mobilität ist notwendig, sogar unvermeidlich – doch das heißt nicht, dass sie ohne Rücksicht auf Verluste durchgesetzt werden darf. Das Bedürfnis nach Mobilität betrifft jede und jeden einzelnen von uns in vielen Bereichen des Lebens. Und unser Wirtschaftssystem wurde über mehr als ein halbes Jahrhundert auf der Annahme aufgebaut, dass Menschen genauso wie Güter einfach und zu jeder Zeit überall hin gebracht werden können.
Würde dies ohne soziale Begleitmaßnahmen geändert, würde das wie so oft genau die ärmsten Menschen am stärksten treffen, die nicht nur pro Kopf am wenigsten zur Klimakatastrophe beitragen, sondern es auch am Schwersten haben, sich an Veränderung anzupassen. Wohin das führt, zeigten die von Treibstoffpreiserhöhungen ausgelösten Proteste der „Gelbwesten” in Frankreich 2019, die das Land Monate in Atem hielten. Es wäre also nicht nur sozial ungerecht, es wäre noch nicht mal durchsetzbar.
Gleichzeitig muss eine kluge Mobilitätswende darauf achten, nicht gesellschaftliche Fehlentwicklungen nicht zu zementieren, die wir auch ohne Klimakrise rückgängig machen müssten. So wäre es eine schlechte Idee, alles durch die Elektrifizierung der Individualmobilität zu lösen: Zwar bringen E-Autos deutliche Verbesserungen beim Schadstoffausstoß, sie ändern aber nichts an den negativen Folgen der autozentrierten Verkehrspolitik des 20. Jahrhunderts.
Und schließlich darf die Mobilitätswende genauso wie die Energiewende nicht auf falsche Lösungen setzen, die in Zukunft Probleme bereiten, oder in der Eile des Umstiegs absehbare Probleme ignorieren. Dazu gehört zum Beispiel die Umwelt- und Menschenrechtsproblematik, die mit dem Abbau von für Batterien notwendigen Rohstoffen verbunden ist.
… und was bringt uns das alles?
Die Mobilitätswende ist nicht nur als Herausforderung zu sehen, um kritische Umweltprobleme zu lösen. Sie wird unsere Lebensweise verändern – und das durchaus zum Positiven.
Konkret wird die Mobilitätswende unsere Städte sauberer, ruhiger und schöner machen. Sie wird verhindern, dass Menschen in kleinen Gemeinden oder in Siedlungen, die nur fürs Auto gebaut wurden, vom Leben abgehängt werden. Sie erlaubt uns in schnellen Züge viel bequemer in Städte zu reisen, als es mit dem Flugzeug möglich ist.
Das alles ist möglich. Viel davon hat es schon einmal gegeben. Wir können es wieder haben, wenn wir dran glauben und es von der Politik fordern.
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E-Mobilität, selbstfahrende Autos, intelligente Leitsysteme – neue Mobilitätskonzepte könnten es möglich machen, die hohe Lebensqualität der Stadt optimal zu genießen. Doch die städtische Verkehrsplanung dreht sich noch immer hauptsächlich ums Auto, statt Alternativen anzubieten: Bodennahe Abgase verursachen langanhaltenden Schaden an den Lungen unserer Kinder1, Lärm2 und Staus erzeugen Stress und kosten viel Zeit.
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