So schaffen wir den Ausstieg aus russischem Öl
Der brutale Angriffskrieg Russlands in der Ukraine verursacht nicht nur unvorstellbares Leid für die ukrainische Bevölkerung, sondern hat auch gezeigt, dass die Abhängigkeit Europas von fossilen Energieträgern der treibende Motor für Kriege, Konflikte und die Klimakrise ist. Auch wenn die europäischen Staaten Sanktionen gegen Russland verhängt haben, zahlen sie weiterhin jeden Tag fast 200 Millionen Euro für Erdölimporte an Russland und finanzieren damit Putins Kriegsmaschinerie. Denn Erdölexporte stellen die größte Einnahmequelle Russlands dar.
In diesem Artikel zeigen wir 5 kurzfristige Maßnahmen auf, die sofort umgesetzt werden können und legen 5 langfristige Maßnahmen dar, die wir jetzt angehen müssen, um die Weichen für eine grüne, friedliche Zukunft zu stellen.
Um zu verhindern, dass weiterhin Bomben auf Schulen, Krankenhäuser und Bahnhöfe in der Ukraine niederprasseln, muss Europa seine Öllieferungen aus Russland schnell stoppen und Putins Krieg nicht länger finanzieren. Damit das gelingt, müssen die Staats- und RegierungschefInnen der EU ihre Aufmerksamkeit auf den Verkehrssektor richten: Fast 70 Prozent des gesamten Erdöls in der EU werden für den Verkehr verwendet, d. h. für den Antrieb von Autos, LKWs, Bussen, Traktoren, Flugzeugen, Schiffen und anderen mit fossilen Energieträgern betriebenen Verkehrsmitteln – in Österreich sind es sogar über 80 Prozent. Russland ist der größte Einzellieferant von Erdöl in die EU und deckt rund 27 Prozent der Erdölimporte in die EU ab: somit erfolgt etwa jeder vierte Flug und jede vierte Fahrt mit dem Auto, LKW und anderen mit fossilen Energieträgern betriebenen Verkehrsmitteln in der EU mit russischem Erdöl.
Warum der Ausstieg aus Erdöl weltweit Frieden sichert
Um den Frieden in Europa und in anderen Teilen der Welt zu fördern, muss die EU aufhören, den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine anzuheizen. Dazu muss sie ihren Erdölverbrauch kurzfristig deutlich senken und den vollständigen Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen vorantreiben, die bereits in der Vergangenheit kriegerische Auseinandersetzungen angeheizt haben.
Ein bloßer Umstieg von russischem Erdöl auf schmutzige Energie aus anderen Quellen wird keine Sicherheit mit sich bringen, da auch andere Erdölquellen häufig in politisch kritischen Gebieten liegen und oft mit drastischen Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen einhergehen. Daher ist eine Reduzierung des Erdölverbrauchs in der EU dringend notwendig. Trotz der offensichtlichen Rolle des Verkehrssektors haben es die europäischen Staats- und RegierungschefInnen bislang weitgehend vermieden, den Zusammenhang zwischen unseren Mobilitätsentscheidungen und dem Krieg zu thematisieren und Sanktionen gegen Ölimporte aus Russland zu verhängen.
Kann Österreich aus russischen Erdöl aussteigen?
Die kurze Antwort ist: JA! Während der rasche Ausstieg aus russischem Erdgas Österreich aufgrund der falschen Energiepolitik der letzten Jahrzehnte vor große Herausforderungen stellt, ist die Abhängigkeit von russischem Öl im europäischen Vergleich deutlich geringer. Zuletzt kamen nur rund 10% der heimischen Rohölimporte aus Russland (Stand 2020). Erst kürzlich gab die OMV an, seit Beginn des Ukrainekrieges kein Öl mehr aus Russland zu beziehen. Ein Ölembargo ist aus österreichischer Sicht also deutlich leichter machbar als im EU-Vergleich. Es muss jedoch rasch und konsequent umgesetzt werden, um politisch Wirkung zu entfalten. Eine alleinige Substituierung der russischen Ölmengen aus anderen, meist nicht weniger politisch bedenklichen Ländern, ist jedoch nicht ausreichend.
Österreich könnte binnen Monaten durch klug gesetzte und konsequent verfolgte fünf Maßnahmen im Verkehrsbereich rund 1,4 Millionen Tonnen Öl oder rund 19 % aller Rohölimporte einsparen und so unsere Abhängigkeit von russischen Öllieferungen nachhaltig beenden. Auf den Mineralölverbrauch 2020 von 9,8 Millionen Tonnen (ohne petrochemische Grundstoffe) umgelegt, könnten wir mit diesen Maßnahmen binnen Monaten rund fünfzehn Prozent (14,3%) unseres gesamten Ölverbrauch reduzieren und einen großen Schritt Richtung Klima- und Verkehrswende machen.
Mit diesen 10 Maßnahmen können wir unsere Abhängigkeit von Erdöl reduzieren
Greenpeace hat eine Analyse erstellen lassen, wie Europa seine Abhängigkeit von russischem Erdöl – und von Erdöl im Allgemeinen – mit zehn kurz- bzw. mittel- bis langfristigen Maßnahmen im Verkehrssektor verringern kann. Mit den fünf kurzfristigen Maßnahmen im Verkehrssektor könnten EU-weit innerhalb weniger Monate 28 Prozent des russischen Erdöls eingespart werden.
Fünf kurzfristige Maßnahmen
Durch ein Verbot von Kurzstreckenflügen in Europa und den Ersatz von Geschäftsflügen durch virtuelle Meetings könnten rund 8 Millionen Tonnen Flugzeugtreibstoff (der größtenteils aus Erdöl hergestellt wird) und 42,9 Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen eingespart werden.
Umgelegt auf Österreich, kommt man zu einem Einsparungspotential von fast 300.000 Tonnen Kerosin (größtenteils aus Erdöl) oder 1,6 Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen.
Autos in der EU verbrauchen jährlich rund 170 Millionen Tonnen Erdöl. In Österreich verbrauchen Autos entsprechend 5,5 Millionen Tonnen Tonnen Erdöl und verursachen damit rund 17 Millionen Tonnen CO2.
Wenn nur jede 25. Autofahrt (gerechnet als 4 Prozent der gefahrenen Kilometer) durch öffentliche Verkehrsmittel ersetzt würde, könnte der Erdölbedarf in der EU um rund 6 Millionen Tonnen reduziert werden. Ein Umstieg, für den es auch kurzfristig die nötigen Ressourcen im öffentlichen Verkehr gibt.
Etwa die Hälfte des Erdölbedarfs in der EU entfällt auf den Straßenverkehr: etwa 40 Prozent davon werden von LKWs und Kleintransportern verbraucht. Mit anderen Worten: Etwa 20 Prozent (113 Millionen Tonnen) des gesamten in der EU verbrauchten Erdöls dienen als Kraftstoff für den Gütertransport auf der Straße.
In Österreich entfallen rund 80 % des Erdölverbrauchs auf den Straßenverkehr – rund 8,66 Millionen Tonnen Diesel und Benzin wurden 2019 verbraucht. Selbst wenn kurzfristig nur 2 Prozent des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene verlagert werden könnten – ein realistisches kurzfristiges Ziel, das mit vorhandenen Mitteln umsetzbar wäre – könnte man 60.900 Tonnen Öl einsparen.
In Österreich entfallen rund 80 % des Erdölverbrauchs auf den Straßenverkehr: davon fallen rund 63% im Personenverkehr an. Durch einfache Maßnahmen wie mehr Home Office (wo möglich), Tempolimits, Car-Sharing und effizientere Fahrweise, könnten kurzfristig insgesamt bis zu 692.000 Tonnen Erdöl eingespart werden.
- Home Office an 2 Tagen: 164.000 Tonnen
- Car-Sharing: 218.000 Tonnen
- Tempolimit 100: 146.000 Tonnen
- Effizientes Fahren: 164.000 Tonnen
Die kurzfristigen Auswirkungen einer verbesserten Rad- und Fußweginfrastruktur auf die Ölnachfrage und die CO2-Emissionen lassen sich nur schwer abschätzen. In den meisten Meinungsumfragen stehen Sicherheit und schlechte Infrastruktur ganz oben auf der Liste der Gründe, warum die Menschen das Fahrrad nicht benutzen – es ist jedoch unklar, wie viele Menschen tatsächlich vom Auto auf das Fahrrad umsteigen würden. In Kopenhagen, einer der Städte mit der besten Radverkehrsinfrastruktur in Europa, nutzen 41 % das Fahrrad und 26 % das Auto. In Paris und Budapest hingegen liegt der Anteil der Fahrradnutzung bei nur 2 %, was das zukünftige Potenzial der Fahrradnutzung in diesen Städten zeigt.
Fünf langfristige Maßnahmen
Greenpeace fordert die europäischen Staats- und RegierungschefInnen auf, Neuzulassungen von Pkws und Kleintransportern mit Verbrennungsmotor in der gesamten EU bis spätestens 2028 zu verbieten. Der aktuelle Vorschlag der Europäischen Kommission, die CO2-Emissionen neuer Pkws bis zum Jahr 2035 um 100 Prozent zu reduzieren, greift nicht früh genug. Damit die EU ihren Beitrag zum Pariser Klimaabkommen leisten kann, muss der europäische Verkehrssektor bis zum Jahr 2040 vollständig dekarbonisiert werden. Da Fahrzeuge eine Lebensdauer von etwa zehn Jahren haben, muss das Zulassungsverbot für Verbrennungsmotoren spätestens 2028 kommen.
Die Einstellung der Produktion von Autos mit Verbrennungsmotoren muss durch drei Maßnahmen begleitet werden:
- Die Stromversorgung aller Fahrzeuge muss vollständig aus erneuerbaren Quellen stammen
- Verkleinerung des Fuhrparks und Erhöhung des Besetzungsgrades
- Förderung leichterer Autos und Verbannung schwerer und besonders umweltschädigender Fahrzeuge von der Straße
Um den europäischen Verkehrssektor zu dekarbonisieren, muss die Gesamtzahl der geflogenen Personenkilometer in der EU bis 2040 um 33 Prozent unter den Wert des Jahres 2019 zurückgehen. Das gilt aber nur, wenn bis dahin synthetischer Flugzeugtreibstoff, basierend auf erneuerbarem Strom, in kommerziellem Maßstab hergestellt werden kann und in ausreichenden Mengen vorhanden sein wird. Allerdings sind synthetische Kraftstoffe (sogenannte E-Fuels) bzw. Flugzeuge mit Wasserstoff- und Elektroantrieb noch weit davon entfernt, in kommerziellem Maßstab verfügbar zu sein; das bedeutet, dass der Flugverkehr mit großer Wahrscheinlichkeit noch viel weiter zurückgehen muss, um eine Dekarbonisierung des Verkehrssektors zu erreichen.
Eisenbahnen und andere schienengebundene Fahrzeuge sind die klimafreundlichsten motorisierten Verkehrsmittel. Gemäß des „Fahrplans Verkehr 2040“ von Greenpeace ist sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr eine massive Verkehrsverlagerung von der Straße und der Luft auf die Schiene erforderlich. In diesem Fahrplan wird davon ausgegangen, dass die Nutzung von Privatfahrzeugen im Zeitraum von 2020 bis 2040 in großen städtischen Gebieten von durchschnittlich 62 auf 42 Prozent (wobei die Stadtzentren weit unter diesem Wert liegen) und in ländlichen Gebieten von 79 auf 68 Prozent zurückgehen könnte. Der Anteil des Güterverkehrs auf der Schiene muss bis zum Jahr 2040 von 15 auf 36 Prozent steigen.
Im Verkehrssystem der Zukunft, das die Anforderungen des Pariser Klimaabkommens zu 100 Prozent erfüllen soll, wird erneuerbarer Strom die wichtigste Energieform sein. Kraftstoffe aus Abfällen werden aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit von Abfällen und der Notwendigkeit einer Kreislaufwirtschaft nur eine kleine Nischenfunktion haben. Weder Agrotreibstoffe noch Atomkraft werden jemals ein geeigneter Ersatz für fossile Brennstoffe im Verkehrssektor sein, da sie extrem schädlich sind und die Umwelt und das Klima gefährden. Während strombasierte Technologien für den Landverkehr bereits weit verbreitet und allgemein verfügbar sind (Züge, Straßenbahnen, Oberleitungsbusse, Elektroautos usw.) oder kurz davor stehen, sich in der Praxis durchzusetzen (z. B. Elektro-Kleintransporter, Elektrifizierung im Güterverkehr), gibt es für den Flug- und Schiffsverkehr noch keine alternativen Technologien in großem Maßstab.
Da nichtfossile Treibstoffe noch nicht in kommerziellem Maßstab zur Verfügung stehen und dies auch in vielen kommenden Jahren nicht der Fall sein wird, muss die Luft- und Schifffahrtsindustrie durch eine verbindliche Quote für umweltfreundliche Treibstoffe dazu verpflichtet werden, in die Entwicklung und Verwendung dieser Treibstoffarten zu investieren.
Die Verkehrsinfrastruktur der meisten europäischen Städte muss grundlegend umgestaltet werden, und zwar von einer auf das Auto ausgerichteten zu einer am Menschen ausgerichteten Infrastruktur. Künftig werden für kurze Strecken in der Stadt das Zufußgehen und Radfahren und für längere Strecken in der Stadt öffentliche Verkehrsmittel, die mit erneuerbarem Strom betrieben werden, die bevorzugte Form der Fortbewegung sein. Die Nutzung von Privatautos, einschließlich Elektrofahrzeugen, muss deutlich reduziert werden und sollte auf diejenigen beschränkt werden, die keine Fahrräder oder öffentlichen Verkehrsmittel benutzen können. In einigen Fällen, in denen keine öffentlichen Verkehrsmittel zur Verfügung stehen (z. B. in Notfällen oder beim Transport von Waren, Arbeitsgeräten oder schwerem Gepäck), könnten Elektrofahrzeuge eine sinnvolle Alternative darstellen. Die Stadtzentren sollten in autofreie Zonen umgewandelt werden, wobei es nur sehr wenige Ausnahmen geben sollte.