Das neue Gemeinnützigkeitsgesetz als verpasste Chance
Das Gemeinnützigkeitsreformgesetz 2023, in Kraft seit Anfang 2024, wartet mit begrüßenswerten steuerlichen Erleichterungen für Non-Profit-Organisationen auf. Gleichzeitig wurde neu geregelt, unter welchen Voraussetzungen das Finanzamt Begünstigungen wieder entziehen darf.
Der Verfolgung von gemeinnützigen Zwecken – beispielsweise Umweltschutz, Minderheitenschutz etc. – dienen regelmäßig auch öffentliche Äußerungen, die Organisation von Demonstrationen und anderen Veranstaltungen, die regierungskritisch oder für bestimmte Stakeholder schlicht unbequem sind. Solche Tätigkeiten liegen im sogenannten grundrechtsnahen Bereich, weil ein Eingriff durch den Staat schnell auch Grundrechte (insbesondere Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit) verletzen kann.
Betrifft eine Gesetzesmaterie einen grundrechtsnahen Bereich, dann müssen die gesetzlichen Vorgaben besonders klare und präzise Regelungen für ihre Anwendungen durch die vollziehenden Behörden treffen und effektive Rechtsschutzmöglichkeiten bieten. Bei dem neu geschaffenen Ausschlusstatbestand für die Zuerkennung der Spendenbegünstigung (§ 4a Abs 4 Z 3 lit e EStG) ist dies nicht zufriedenstellend gelungen:
„Die Körperschaft fördert nicht systematisch die vorsätzliche Begehung von in ihrem Interesse methodisch begangenen strafbaren Handlungen. Eine Förderung ist insbesondere gegeben, wenn die Körperschaft hiefür Mittel in nicht bloß untergeordnetem Ausmaß ihres Spendenaufkommens für die Begleichung von Strafen der handelnden Personen aufwendet.“
Es scheint, dass die Regelung in erster Linie darauf abzielt, zu verhindern, dass mit begünstigten Spenden im großen Stil Geldstrafen, die aufgrund von Gesetzesverstößen bei Aktionen einer Organisation gegen die Aktivist*innen verhängt wurden, bezahlt werden.
Das ist aber keineswegs der einzige Anwendungsfall. Alle möglichen Ressourcen, welche eine Organisation für Tätigkeiten, die mit Vorschriftsverstößen verbunden sein können, zur Verfügung stellt, können erfasst sein, sobald dies eine gewisse Intensität und Regelmäßigkeit erreicht. Zu denken ist nicht nur an unmittelbare Kostenübernahmen, sondern auch an das Beistellen von Personal, Räumlichkeiten, vielleicht auch medialer Reichweite.
Schließlich steht gegen die überschießende Anwendung der Regelung – insbesondere sollte damit eine Grundrechtsverletzung verbunden sein – der Rechtsweg offen. Viele schlagkräftige juristische Argumente können für die nur zurückhaltende Anwendung des Tatbestandes ins Treffen geführt werden. Der Rechtsweg gegen Entscheidungen des Finanzamtes hat aber einen Haken:
Für gewöhnlich wird in diesen Verfahren über die Bezahlung von Abgaben verhandelt. Aus diesem Grund kommt einer Beschwerde gegen eine Abgabenentscheidung durch das Finanzamt keine aufschiebende Wirkung zu, sondern die Einhebung der Abgaben wird auf Antrag bis zur Entscheidung durch die Oberinstanz aufgeschoben. So ist sichergestellt, dass eine vielleicht fehlerhafte Erstentscheidung nicht zu einem endgültigen Nachteil – etwa der Zwangsversteigerung von Vermögenswerten – führt.
Widerruft das Finanzamt die Spendenbegünstigung einer Organisation, so geht es aber nicht um die Zahlung von Abgaben. Sondern die betroffene Organisation wird gleichzeitig von der Liste der begünstigten Spendenempfänger gestrichen. Spenden an diese Organisation können dann ab sofort nicht mehr steuerlich abgesetzt werden.
Kurz vor dem Beschluss des Gesetzes im Nationalrat wurde aufgrund scharfer Proteste – unter anderem durch Greenpeace, Volkshilfe, VGT, Attac und Fridays for Future – noch eine Sonderregelung eingefügt: Einer Beschwerde gegen den Widerruf der Spendenbegünstigung komme auf Antrag aufschiebende Wirkung zu, wenn sie hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
Diese halbherzige Einfügung entschärft die Problematik der Regelung nicht: Die meisten Verfahrensordnungen in Österreich sehen vor, dass über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Oberinstanz (in der Regel ein unabhängiges Gericht) im Eilverfahren zu entscheiden hat. Das ist sachgerecht, weil endgültige Nachteile schnell verhindert werden müssen und weil die erste Behörde ihre eigene Entscheidung tendenziell so rasch wie möglich durchsetzen will. Beim Widerruf der Spendenbegünstigung entscheidet das Finanzamt selbst über die aufschiebende Wirkung und ein Eilverfahren ist nicht vorgesehen.
Die Regelung bleibt daher bis auf Weiteres eine Hintertüre, über die das Finanzamt Gemeinnützige für unliebsame Aktionen abstrafen könnte. Das ist gerade für aktionistisch tätige Organisationen ein ernsthaftes Risiko. Über Vermögens- und Reputationsschäden hinaus ist zu befürchten, dass gemeinnützige Organisationen sich bei künftigen Aktionen in Zurückhaltung üben.
An anderer Stelle ist die Absicherung des grundrechtsnahen Bereichs besser gelungen:
Künftig muss das Finanzamt einer Organisation den Gemeinnützigkeitsstatus entziehen, wenn sie (finanz-)strafrechtlich verurteilt wird (§ 42 BAO). Grundsätzlich können nur physische Personen Straftaten begehen. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit einer Organisation besteht – vereinfacht gesagt – nur, wenn die Tat zu ihren (vermögenswerten) Gunsten begangen wurde. Entscheidend ist, dass das Finanzamt erst aktiv werden darf, wenn die Verurteilung rechtskräftig ist, also der Überprüfung durch ein (zweites) unabhängiges Gericht standgehalten hat. Zu bedenken ist auch, dass nur vorsätzlich begangene Delikte erfasst sind und, dass minderschwere Straftaten oft nicht durch Verurteilung, sondern durch eine Diversion erledigt werden.
Zur Entziehung der Gemeinnützigkeit wegen Straffälligkeit dürfte es daher praktisch erst kommen, wenn in einer Organisation tatsächlich erhebliche Missstände herrschen. Und: Die Spielregeln sind von vornherein klar!
Gemeinnützige brauchen Rechtssicherheit, um wichtigen Anliegen den gehörigen Nachdruck verleihen zu können. Der rechtliche Rahmen für die Spendenbegünstigung muss an dieses Bedürfnis angepasst werden: Erstens wird der Ausschlusstatbestand für die Spendenbegünstigung klar auf jene Fälle beschränkt, in denen Organisationen im großen Stil Verwaltungsstrafen gegen Aktivistinnen und Aktivisten begleichen. Zweitens kommt einer Beschwerde gegen den Widerruf der Spendenbegünstigung durch das Finanzamt automatisch aufschiebende Wirkung zu. Die Reparatur der gesetzlichen Bestimmung wäre damit denkbar einfach und es bleibt zu wünschen, dass sie in der kommenden Legislaturperiode umgesetzt wird.
Victoria Ramstorfer ist Rechtsanwältin in Wien.