Der anomale Alltag: Waldbrände in Russland geraten außer Kontrolle
Greenpeace-AktivistInnen kämpfen an vorderster Front gegen die Flammen in Jakutien
Loderndes Feuer, Flammen, giftiger Rauch – Vorkommnisse, die in Sibirien, Russland, immer häufiger zur bitteren Realität werden. Jedes Jahr stehen die für das Klima unverzichtbaren Baumbestände des Taiga-Waldgürtels in Flammen. Besonders betroffen ist hierbei der Osten Sibiriens, darunter fällt auch die Stadt Jakutien. Hier ist das Feuer dieses Jahr sogar noch früher ausgebrochen als erwartet und entwickelt sich schneller und gefährlicher als die Jahre zuvor. Gründe dafür liegen in den langen Dürreperioden, der Trockenheit, den ungewöhnlichen Hitzewellen und der Fahrlässigkeit der Menschen, z.B. durch Lagerfeuer oder achtlosem Wegwerfen von Zigarettenstummeln.
Bislang wurden mehr als 250 Brände in Jakutien gezählt. Regionalen behördlichen Angaben zufolge ist eine Fläche von 745.000 Hektar betroffen – dies entspricht einer größeren Fläche als das Bundesland Salzburg! Die Region befindet sich momentan in einem Ausnahmezustand, der nicht nur die Natur betrifft, sondern auch die umliegenden 60 Dörfer und Städte sowie die Regionalhauptstadt Jakutsk. Dem russischen Greenpeace-Einsatzkommando zufolge kämpfen die BewohnerInnen mit sich stark ausbreitendem Feuer und giftigem Qualm. Hierbei liegt der Anteil gesundheitsgefährlicher Stoffe in der Luft weitaus über dem Normalwert – dies stellt insbesondere in Zeiten der Covid-19 Pandemie eine überaus bedrohliche Situation dar. Auch die Region Karelien, die zwischen Finnland und Russland liegt, ist zunehmend den Waldbränden ausgesetzt. Aktuell wüten dort 33 Brände auf einer Fläche von 7200 Hektar.
Insgesamt sind 2100 Feuerwehrleute im Einsatz, doch um die Lage unter Kontrolle zu bringen, wird weitaus mehr Hilfe benötigt. Hier kommt das Greenpeace-Einsatzkommando ins Spiel, das die hiesige Bevölkerung und die Feuerlöscherteams vor Ort unterstützt.
Seit über 10 Jahren kämpft Greenpeace für den Erhalt von russischen Wäldern, indem sie Sensibilisierungsarbeit betreiben, Wälder patrouillieren und Brände vorbeugen. Angefangen als erster Greenpeace-Einsatztrupp, der sich auf das Löschen von Waldbränden spezialisiert, entwickelte sich das Einsatzkommando zu zehn Aktionsteams, die bei Waldbränden sofort aktiv werden. Ein entscheidendes Charakteristikum des Greenpeace-Einsatzkommandos sind die Frauen, die bei der Bekämpfung der Brände großen Einsatz leisten. Als “Feuerwehrfrau” in Russland zu arbeiten ist gesetzwidrig. Dementsprechend gibt Greenpeace Frauen die Chance einen Beruf auszuüben, der ihnen in ihrem Heimatland verwehrt bleibt.
Das Wissen und die Erfahrungen, die Greenpeace mitbringt sind unentbehrlich für den Schutz des reichhaltigen und vielschichtigen Ökosystems, das sich im russischen Wald verbirgt. Mit geballter Kraft kämpfen die Greenpeace-AktivistInnen gemeinsam mit den lokalen Einsatzkräften an vorderster Front gegen die Flammen in Jakutien.
Im Zusammenhang mit den jährlichen Waldbränden kritisiert Greenpeace die russische Regierung aufs Schärfste. Diese sollen Verantwortung an der Ausbreitung des Feuers übernehmen. Denn falsche veröffentlichte Zahlen der russischen Forstschutzbehörde – sie nehmen zum Beispiel an, dass landesweit statt drei nur zwei Millionen Hektar Wald brennen – sowie lasche Brandschutzregelungen tragen vermehrt zu einer Verharmlosung der ernstzunehmenden Situation dar.
Dementsprechend ist ein großes Anliegen von Greenpeace, dass die Regierung die Waldbrände und den dazugehörigen Konnex zum Klimawandel anerkennt und sich überdies auf einen russischen „Green Deal” einigt. Infolge der verheerenden Brände braucht es eine grundlegende Transformation der Wirtschaft und angeglichene Ansätze für den Schutz von Umwelt, Klima und Mensch. Des Weiteren fordern die AktivistInnen höhere finanzielle Mittel für regionalen Waldschutz und intensive Präventionsarbeit.
Der Einsatz der AktivistInnen ist und bleibt ein wichtiger Bestandteil des Waldschutzes. Dennoch geht der Kampf von Greenpeace weit über die Symptombekämpfung hinaus und erreicht die Wurzel des Problems: Wenn die russische Politik und Wirtschaft nicht einen radikalen Umschwung einleiten, riskiert sie, dass die derzeitige Anomalie früher oder später zur Normalität wird.