Die Wale sind aus dem Gefängnis befreit!
Monatelang eingesperrt, war das Schicksal der Wale von Nachodka ungewiss. Doch hunderttausende Menschen auf der ganzen Welt haben es möglich gemacht – jetzt wurden alle in die Freiheit entlassen.
Anfang 2019 erreichten schwer zu ertragende Bilder das Greenpeace-Büro in Moskau: AktivistInnen hatten in einer Bucht nahe der Stadt Nachodka im Distrikt Primorje im fernen Osten Russlands gefangene Wale entdeckt. 87 Beluga-Wale und 11 Orcas waren auf engstem Raum in kleinen zellenartigen Becken eingepfercht. Schnell bekam die Anlage den Beinamen „Walgefängnis“. Die dort festgehaltenen Wale waren unter dem Vorwand der Forschung 2018 eingefangen worden, doch in Wahrheit dienten sie dem Profit: Die intelligenten und sozialen Tiere sollten an chinesische Delfinarien verkauft werden, um als Schaustücke ein trauriges Leben zu fristen.
Obwohl klar war, dass die Genehmigung für den Fang der Wale aufgrund falscher Angaben erteilt worden war, unternahmen die Behörden nichts. Dabei drohte den Walen unmittelbare Gefahr: Im kalten sibirischen Winter schloss sich die Eisdecke rund um das Walgefängnis – die Wale drohten eingeschlossen zu werden und zu ersticken. Und wenn die Wärter des Walgefängnisses die Eisdecke aufschlugen bedeutete der Lärm enormen Stress für die sensiblen Tiere. Zusätzlich hatten sie im engen Raum gefangen kaum Möglichkeit, sich zu bewegen, so dass ihre empfindliche Haut oft viel zu lange der eiskalten Luft ausgesetzt war.
Deshalb rief Greenpeace von Moskau aus weltweit um Hilfe – und die Welt reagierte. Greenpeace-Büros auf der ganzen Welt berichtetem vom Schicksal der Wale, hunderttausende Menschen teilten die Beiträge auf den sozialen Medien. Auch Prominente wie Leonardo DiCaprio, Pamela Anderson und Jean-Michel Cousteau sprangen auf und nutzten ihren Einfluss, um das Anliegen bekannt zu machen. Über zwei Millionen Menschen unterschrieben in kürzester Zeit die Petition zur Freilassung der Wale – über 112.000 alleine in Österreich.
Diese weltweite Reaktion konnten die russischen Behörden nicht mehr ignorieren. Zudem muss sich das russische Parlament mit Anliegen befassen, die von mindestens 100.000 RussInnen unterschrieben werden; Greenpeace konnte diese Zahl von Unterschriften direkt an die Duma übergeben. So setzte sich der Mechanismus des Staates in Bewegung. Das Walgefängnis wurde beschlagnahmt, die Behörden kündigten die Freilassung der Wale an.
Verzögerungen, Unklarheiten – und erneuter Druck
Doch nach der Beschlagnahmung ließen weitere Schritte auf sich warten. Aus dem Distrikt Primorje kamen widersprüchliche und nicht nachvollziehbare Botschaften: Dass die Wale verlegt werden sollten, aber noch nicht freigelassen werden; dass nicht klar war, ob die Freilassung möglich wäre; dass es besser wäre, sie direkt vor Ort freizulassen. Greenpeace-ExpertInnen aber stellten eindeutig fest, dass die Zeit drängte, dass die Wale unbedingt in ihre Heimat gebracht werden mussten und dass Verzögerungen inakzeptabel waren – denn jede Woche, die verstrich, machte eine Resozialisierung der Tiere schwieriger und eine Befreiung musste unbedingt geschehen, bevor die Heimatgebiete der Orcas wieder zufrieren würden. Greenpeace-AktivistInnen blieben die ganze Zeit vor Ort, beobachteten die Situation und protestierten auch mit Kajaks direkt am Walgefängnis für die Freiheit der Wale.
So blieben die Augen der Welt auf der Bucht von Nachodka. Die Behörden mussten verhandeln und WissenschaftlerInnen erarbeiteten schließlich mit ihnen einen Plan für die Freilassung. Der war gewagt: Die Wale würden in Nachodka auf Lastwagen verladen, über mehrere Tage nahe an die Orte gebracht, wo sie gefangen worden waren und dort von Booten aus freigelassen werden – ein anstrengender und langwieriger Prozess.
Im Sommer schließlich war es dann soweit: Die ersten Orcas und Belugas wurden verladen. Auf der Strecke sorgten ExpertInnen dafür, dass ihre Flossen feucht blieben, massierten die empfindliche Haut. Im August schließlich konnte Greenpeace das erste Video von Orcas veröffentlichen, die gemeinsam durch die Wellen sprangen, nach Monaten der Gefangenschaft.
Über die nächsten Monate gab es eine Reihe von weiteren Verzögerungen. Oft war nicht klar, wie viele Wale verladen wurden, Beobachter wurden nur widerwillig zugelassen. Doch Greenpeace blieb beharrlich – und konnte dank der Spenden der Menschen weltweit permanent BeobachterInnen vor Ort unterhalten. So war es dann Anfang November endlich soweit, dass die letzte LKW-Karawane mit 50 Belugas von Nachodka aufbrach und die letzten Wale freigelassen wurden.
Ein gemeinsamer Erfolg – und ein neuer Auftrag
Damit ist das Walgefängnis leer. Drei der ursprünglich gefangenen Wale haben die Gefangenschaft leider nicht überlebt – darunter ein Orca-Junges. Greenpeace wird sich mit voller Kraft dafür einsetzen, dass der Fang von Walen für Unterhaltungs- und Bildungszwecke auch in Russland endgültig verboten wird, damit sich etwas wie das Walgefängnis nicht wiederholen kann.
Doch Dutzende Wale können nun wieder in frei durch die Wellen springen und endlich wieder in Gesellschaft ihrer Artgenossen leben, was für die intelligenten Tiere so wichtig ist. Möglich wurde das, weil Millionen Menschen sich gemeinsam mit Greenpeace für sie eingesetzt haben – indem sie Petitionen unterschrieben und indem sie durch ihre Spenden den Einsatz von ExpertInnen und AktivistInnen auch an den abgelegensten Orten der Welt, wie dem fernen Nachodka an der russischen Pazifikküste, ermöglicht haben.
Wir danken allen, die den Walen ihre Stimme gegeben haben!