Reportage: Goodbye, Glyphosat!
Von Gerfried Panovsky und Olja Alvir
Das Pflanzengift Glyphosat ist allgegenwärtig - und stark umstritten. Nun stellte sich eine breite Bewegung dagegen. Das Resultat: über fünfhundert glyphosatfreie Gemeinden in ganz Österreich und ein Nein-Votum auf EU-Ebene.
Wien, Heldenplatz. Greenpeace-AktivistInnen verwandeln den Ort in ein Symbol der Vorreitergemein - den im Kampf gegen Glyphosat. Sie stellten die Ortsschilder all jener Gemeinden auf, die bis dahin dem Aufruf von Greenpeace gefolgt waren und sich zu einem Verzicht auf das umstrittene Herbizid bekannt hatten. Der Grund: Am Tag darauf wird ein Ausschuss da - rüber tagen, ob Österreich sich bei der EU-Abstimmung zur Wiederzulassung des umstrittenen Unkrautvernichters für ein Nein aussprechen würde. Die Aktion diente auch als Mahnung an die Parteien, sich für ein Verbot des Pflanzengiftes in Brüssel einzusetzen.
Es gelang: Das Parlament verpflichtete den Landwirtschaftsminister dazu, sich gegen Glyphosat auszusprechen. (Das gilt übrigens auch für die nächste Legislaturperiode und folgende Abstimmungen!) Bei der Brüssel-Abstimmungsrunde Ende Oktober konnte sich erneut keine nötige Mehrheit für eine Neuzulassung von Glyphosat finden. „Derzeit ist Glyphosat lediglich noch bis Ende des Jahres 2017 zugelassen. Wenn sich die EU-Staaten nicht doch noch auf eine Neuzulassung einigen, dann ist die Verwendung von Glyphosat nach einer eineinhalb - jährigen Übergangsphase EU-weit verboten“, erklärt Sebastian Theissing-Matei, Greenpeace-Sprecher für Landwirtschaft.
Gemeinde gecheckt
Dort – in der Landwirtschaft – wird Glyphosat nämlich momentan vorwiegend eingesetzt. Doch auch im öffentlichen Raum findet der Unkrautvernichter Verbreitung: Viele Gemeinden setzen ihn auch in Parks, auf Friedhöfen und Spielplätzen oder an Straßenrändern ein. „Selten sind sich Bürgerinnen und Bürger darüber im Klaren, dass sie in ihrem Alltag mit Agrochemikalien in Berührung kommen können“, meint Theissing-Matei dazu. Deshalb rief Greenpeace im Juni den Greenpeace-Glyphosat-Gemeinde-Check ins Leben, in dem BürgerInnen mittels Eingabe der Postleitzahl einfach feststellen können, ob ihre Gemeinde Glyphosat verwendet – und die Verantwortlichen gegebenenfalls gleich anschreiben.
Das Angebot wurde begeistert angenommen. Das erhöhte Bewusstsein bezüglich der Problematik veranlasste BürgerInnen, mit ihren Mitmenschen darüber zu reden, selbstständig Petitionen auszudrucken und herumzureichen sowie ihre BürgermeisterInnen darauf anzusprechen. In zahlreichen Gemeinderatssitzungen über das ganze Land wurde der Verzicht auf Glyphosat beschlossen. Dazu gehören Gemeinden aller Größenordnungen, von Orten wie Bruck an der Großglocknerstraße über Städte wie Krems und Villach bis hin zu den Landeshauptstädten Klagenfurt, Innsbruck, Eisenstadt und Graz.
Faules Spiel
Eine regelrechte Massenbewegung hat sich nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa gegen Glyphosat entwickelt. Die Europäische Bürgerinitiative gegen Glyphosat erzielte ganze 1,3 Millionen Unterschriften. Das Unkrautvernichtungsmittel wird nämlich von der IARC (der Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation WHO) als wahrscheinlich krebserregend bewertet. Monsanto und Bayer, die Hauptproduzenten des Pflanzengifts, beteuern zwar seine Ungefährlichkeit. Doch im Frühjahr wurden Dokumente offengelegt (die sogenannten „Monsanto Papers“), die nahelegten, dass Monsanto selbst Studien verfasst hatte, die dann als unabhängige Forschungspapiere veröffentlicht wurden.
Im September stellte sich weiters heraus, dass ganze Passagen (insgesamt rund 100 Seiten) des EFSA-Berichtes zur Sicherheit von Glyphosat direkt aus Unterlagen von Monsanto kopiert waren. Die EFSA ist die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit. „Die Erkenntnis, dass hier Behörden, die eigentlich für den Schutz der öffentlichen Gesundheit zuständig sind, von Monsanto abgeschrieben haben, ist schockierend. Die Menschen in Österreich und Europa müssen sich auf die Unabhängigkeit dieser Behörden verlassen können“, sagt Theissing-Matei.
„Wir werden in unserem Einflussbereich keine Pestizide mehr einsetzen, die nicht den offiziellen EU-Standards für Bio-Landbau entsprechen“, sagt die Bürgermeisterin Kerstin Suchan-Mayr. „Damit setzen wir ein Zeichen für ökologisches Bewusstsein und sichern die Lebensgrundlage zukünftiger Generationen.“
Umweltschutz in Handarbeit
Generell setzt St. Valentin keine chemisch-synthetischen Pflanzengifte ein, sondern vertraut bei der Unkrautbekämpfung auf natürliche Mittel und Abflämmen. Oft werden in glyphosatfreien Gemeinden die Beikräuter mechanisch entfernt. Besonders hervorzuheben ist dabei der Einsatz der GemeindemitarbeiterInnen, die mit der Entfernung von Beikräutern an Gehsteigen oder Straßenrändern teilweise dreimal so lange beschäftigt sind wie noch zuvor mit dem Einsatz des wahrscheinlich krebserregenden Herbizids.
Das Engagement für die Umwelt geht bei solchen Vorreitergemeinden oft weit darüber hinaus, Glyphosat schlichtweg nicht mehr einzusetzen. Einige Orte machen Aufklärungsarbeit, indem kleine Schilder zum Nutzen von brachliegenden Flächen motivieren. In Traiskirchen gibt es eine Gruppe Ehrenamtlicher, die sich an der Gestaltung der öffentlichen Grünflächen beteiligt, in Brunn am Gebirge liegt ein naturbelassener Park mit „Nasch-Hecke“ und in Mödling eine vorbildlich bepflanzte, extensiv begrünte Verkehrsinsel.
Gemeinsam geht’s
Gemeinden, die sich von Glyphosat im öffentlichen Raum abwandten, erhielten als kleines Dankeschön ein Ortsschild mit der Aufschrift „glyphosatfrei“. Überreicht wurde es vom Direkt-Dialog-Team von Greenpeace. Dieses sieht man sonst eher mit Klemmbrett, knalliger Windjacke und großem Enthusiasmus ausgestattet beim Spendensammeln auf der Straße. Doch ihre Aufgaben gehen darüber hinaus. In den letzten Monaten besuchten sie unzählige Orte im ganzen Land, informierten dort weiter über Glyphosat sowie andere Umweltfragen und konnten sich ein Bild von den kreativen Umweltschutzideen vor Ort machen.
Mitarbeiterin Iris Schreiber sagt: „In meinem Job ist der wohl meistentgegnete Satz: Ich hab keine Zeit! Da ist es eine willkommene Abwechslung, wenn sich BürgermeisterInnen und MitarbeiterInnen extra einen Platz im Kalender für einen Greenpeace-Besuch freihalten, um ein ‚Glyphosatfrei-Beweisfoto‘ mit uns aufzunehmen. Und mit unserer kleinen Geste der Wertschätzung wollen wir zeigen, wie wichtig es ist, dass die Gemeinde als Vorbild in Sachen Umweltschutz vorangeht.“ Heute Ihre Gemeinde, morgen ganz Österreich. Seite an Seite lässt sich die Umwelt eben am besten schützen – und genießen.