Reportage: Heiße Luft
Von Stefan Kerschbaumer
„Wovon Trump redet, ist eine Illusion. Kohle und die Kohleindustrie in den USA wurden nicht durch den Pariser Klimavertrag verdrängt. Das hat damit überhaupt nichts zu tun. Diese Entwicklung fand aus rein wirtschaftlichen Gründen statt. Es wird massiv in Erneuerbare investiert, die schlicht und einfach billiger sind als neue Kohlekraftwerke.“ Wenn Sie meinen, diese Aussage stammt von Greenpeace, dann irren Sie sich. Tatsächlich hat das Robert Murray gesagt, nachdem US-Präsident Donald Trump im Sommer 2017 den Ausstieg seines Landes aus dem Pariser Klimaabkommen angekündigt hatte. Robert Murray ist der Vorstandsvorsitzende der Murray Energy Corporation, der größten Kohlegesellschaft in den USA.
Aufbruchsstimmung und Angst
Paris, Dezember 2015. Adam Pawloff ist als Teil der internationalen Greenpeace-Delegation bei der UNKlimakonferenz COP in Paris. Der Energieexperte aus Österreich erinnert sich: „Vor der Konferenz gab es eine interessante Mischung aus Aufbruchsstimmung und Angst vor dem Scheitern.“ Pawloff war auch schon bei der letzten großen Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen dabei, die schlussendlich kläglich scheiterte und nichts Zählbares hervorbrachte. „Ein zweites Kopenhagen wäre unverantwortbar gewesen.“ Die Vorzeichen für Paris stehen allerdings ganz anders. Vor der Konferenz gehen Millionen von Menschen weltweit auf die Straßen und fordern im Rahmen des People’s Climate March Verantwortung von ihren PolitikerInnen ein.
Alleine in Washington, D.C. protestieren 600.000 Menschen. Zudem gibt es gemeinsame Auftritte von China und den USA unter Präsident Barack Obama sowie einen gemeinsamen Plan für Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel. Endlich sind jene beiden Länder, die für beinahe 50 Prozent des gesamten globalen CO2-Ausstoßes verantwortlich sind, auf einer Linie. Und tatsächlich gelingt in Paris der Durchbruch: Erstmals wird ein Abkommen vereinbart, in dem sich die gesamte Welt zu gemeinsamen Zielen und Maßnahmen zur Begrenzung der Erderhitzung auf maximal 2, falls irgendwie möglich 1,5 Grad Celsius bekennt. „Der Moment, als die Abschlusserklärung verabschiedet wurde, war unglaublich. Wie in einem Fußballstadion. Da fiel der ganze Druck von den Beteiligten ab, man konnte Jubelrufe hören, Menschen lagen sich sogar in den Armen“, erzählt Pawloff.
Globale Energiewende
Aber was ist seither passiert? Was genau macht das Abkommen von Paris besser als etwa das Kyoto-Protokoll von 1997? „Man muss hier zwei Ebenen unterscheiden“, erklärt der Experte. „Einerseits gibt es die tatsächlichen Klimaschutzvereinbarungen, die erst mit 2020 vollständig in Kraft treten und ihre ganze Wirkung entfalten werden. Das Abkommen ist zudem als ein dynamisches Abkommen konzipiert, das heißt, die gesetzten Ziele werden alle fünf Jahre evaluiert und wenn nötig angepasst. Wo man Paris aber bis jetzt viel mehr spürt, ist in der gesellschaftlichen Diskussion über den Klimawandel – sie ist eine andere, breitere geworden, und es wurde eine neue Situation auf den Finanzmärkten geschaffen.“
Was Pawloff damit meint: InvestorInnen erhalten mit dem Pariser Klimaabkommen eine Sicherheit, dass die globale Energiewende auch von politischer Seite her forciert wird, es eine klare, gemeinsame Richtung in Sachen Energiepolitik gibt. Durch diese Sicherheit wird mehr in Erneuerbare wie Wind-, Wasser- oder Solarkraftwerke investiert. Das gilt in besonderem Maße für große, langfristige Projekte. Dieses erhöhte Investitionsaufkommen bewirkt wiederum, dass die Preise für erneuerbare Energie weiter sinken. „Die Kosten für Solarenergie etwa sind letztes Jahr nochmals um 50 Prozent gefallen. Also, hier gibt es weitreichende Wechselwirkungen und in diesem Sinne hat Paris schon jetzt viel bewirkt“, sagt Adam Pawloff.
Trump als Katalysator
USA, 9. November 2016. Enttäuschung. Frustration. Wut. Donald Trump steht als nächster Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika fest. Aus Sicht von UmweltschützerInnen scheint seine Wahl eine Katastrophe. „Obama hat am Ende seiner Amtszeit den Umweltschutz zu einem zentralen Thema gemacht. Er wollte in diesem Bereich sein politisches Vermächtnis hinterlassen. Jetzt haben wir einen Präsidenten, der den Klimawandel leugnet…“, erzählt Kelly Mitchell, Klimasprecherin von Greenpeace in den USA, im Gespräch. Aber die anfängliche Schockstarre war schnell überwunden: „Wir haben uns auf unsere Aufgabe fokussiert, Aktionen geplant und durchgeführt und damit unmissverständlich klargestellt: Greenpeace wird Angriffe auf den Klimaschutz nicht einfach so akzeptieren, Greenpeace wird sich widersetzen. Und sofort kamen Leute aus den unterschiedlichsten Teilen der Gesellschaft auf uns zu, haben uns Unterstützung angeboten, mit uns zusammengearbeitet“, schildert Mitchell die Wochen nach der Präsidentschaftswahl. Aus dem ersten Kennenlernen sind mittlerweile feste Allianzen entstanden – beispielsweise im Kampf gegen Ölpipelines, wo Greenpeace-AktivistInnen mit Indigenen-VertreterInnen Seite an Seite stehen. „So paradox es klingen mag, aber Donald Trump hat die Klimaschutzbewegung in den USA sogar gestärkt und Menschen mobilisiert, die davor noch nicht aktiv waren“, sagt Mitchell.
Neunzehn zu eins
Dass dann vor kurzem der Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen kam, war keine große Überraschung mehr. „Natürlich ist das ein schlechtes Signal, aber wir sehen, dass die Revolution in der Energiebranche hin zu Erneuerbaren in vollem Gange ist und sich nicht mehr umkehren wird. Nicht umsonst haben unzählige Organisationen, Konzerne und Bundesstaaten ihr Festhalten an Paris bekräftigt. Und wenn die USA in diesem Bereich nicht führen wollen, dann werden eben andere diese Lücke füllen – vielleicht die EU, vielleicht China. Auf jeden Fall bringt es die USA in eine nachteilige Position auf einem der größten Märkte der Zukunft.“
Mitunter scheitern Trumps Pläne auch an der Realität. Wussten Sie, dass ein Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen erst vier Jahre nach Inkrafttreten möglich ist? Das wäre der Tag nach den nächsten Präsidentschaftswahlen in den USA. Darüber hinaus liegen die Zuständigkeiten für viele Maßnahmen zum Klimaschutz gar nicht beim Präsidenten, sondern bei den einzelnen Bundesstaaten. Und viele – allen voran Kalifornien – haben keine Lust auf eine Rückkehr in die energiepolitische Steinzeit. Dass die USA mit dieser Strategie im weltpolitischen Abseits stehen, hat im Juli der G20-Gipfel in Hamburg gezeigt: „Greenpeace will natürlich immer mehr, als bei solchen Veranstaltungen am Ende rauskommt. Aber alleine die politische Botschaft, dass die USA bei den Themen Klima und Umwelt isoliert sind und in diesem Zusammenhang sogar von den „G19“ – eben den G20 ohne die USA – die Rede ist, spricht Bände“, meint Adam Pawloff.
Politisch aktiv werden
Greenpeace kämpft an vielen Fronten für die Revolution in der Energiebranche. So stellen wir uns etwa Ölbohrungen im eben erst entdeckten Amazonasriff oder in der Arktis entgegen. „Das ist das, was man von Greenpeace kennt, und das machen wir auch weiterhin. Aber wir müssen uns auch mit der Nachfrage nach Öl, nicht nur mit dem Angebot auseinandersetzen. 70 Prozent des Erdöls gehen nun mal in den Verkehr und hier liegt derzeit unser Fokus, vor allem in Europa. Ein ganz konkretes, mittelfristiges Ziel muss das Ende des Verbrennungsmotors sein. Wenn wir das schaffen, dann bricht die ungezügelte Nachfrage nach Öl zusammen, dann brechen Ölkonzerne zusammen“, sagt Pawloff. Und er hat einen abschließenden Appell an jede/n Einzelne/n von uns: „Der Glaube, dass kleine Änderungen im eigenen Leben das Klima retten würden, ist einfach irreführend. Natürlich hilft es, natürlich sind diese kleinen Dinge wichtig. Aber ich sehe die Verantwortung vielmehr darin, politisch aktiv zu werden und die Energiewende einzufordern.“