Keine Gentechnik ohne Kontrolle
Seit Jahren wurde darüber diskutiert ob neue gentechnische Methoden wie zum Beispiel sogenannte “Gen-Scheren” auf europäischer Ebene reguliert werden müssen. Der Europäische Gerichtshof hat nun eine Entscheidung gefällt: Auch die neuen Verfahren sind Gentechnik und fallen somit unter das europäische Gentechnikrecht.
Von Hannah Lohrmann
Der europäische Gerichtshof hat gestern ein wichtiges und richtungsweisendes Urteil gefällt: Pflanzen, die mit neuen gentechnischen Methoden - wie etwa den sogenannten “Gen-Scheren” verändert wurden, fallen in Zukunft ebenfalls in das europäische Gentechnikrecht. Sie müssen somit wie herkömmliche Gentechnik auf Herz und Nieren geprüft und anschließend gekennzeichnet werden. Das ist für alle Konsumenten und Konsumentinnen eine tolle Nachricht. Denn das bedeutet, dass gentechnisch veränderte Lebensmittel klar erkennbar sein müssen und wir auch zukünftig selbst entscheiden können, was auf unseren Tellern landet.
Bisher herkömmliche Gentechnik durch das EU-Gentechnikrecht reguliert
Das EU-Gentechnikrecht kontrollierte bisher die herkömmlichen gentechnisch veränderten Organismen (GVO) im Einzelfall und prüfte die Produkte auf Gesundheits- und Umweltrisiken. Nur wenn alle Risiken ausgeschlossen sind, dürfen die Produkte auf den Markt gebracht werden. Auch müssen alle gentechnisch veränderten Organismen für die Konsumentinnen und Konsumenten erkennbar sein.Das EU-Gentechnikrecht ist somit extrem wichtig für Transparenz in der Lebensmittelindustrie und lässt die Konsumentinnen und Konsumenten selbst über die Ernährung entscheiden.
Herkömmliche Gentechnik baut fremde DNA in den Organismus ein
Bei der herkömmlichen Gentechnik (GVO) wird in das Erbgut von Pflanzen fremde DNA eingebaut - etwa um sie gegen Unkrautvernichtungsmittel wie Glyphosat resistent zu machen. Dadurch können die veränderten Pflanzen den Vernichtungsmitteln standhalten, die großzügig eingesetzt werden, um Wildkräuter zu beseitigen. Flüsse, Seen und das Grundwasser sind vor diesen Unkrautvernichtern kaum geschützt. So drohen vielerorts massive Umweltverschmutzungen. Darüber hinaus sind Unkrautvernichtungsmittel auch für den Menschen ein nicht abschätzbares Gesundheitsrisiko.
Teilweise wurden Pflanzen auch gentechnisch so verändert, dass sie selbst ein Insektengift produzieren. Die genmanipulierten Pflanzen stößt also ständig Insektizide aus, auch wenn keine Bedrohung durch Insekten in Sicht ist.
Neue Gentechnik schreibt die DNA um
Sogenannte “Genscheren” wie CRISPR/Cas9, gehören zu den neuen Gentechnik-Verfahren. Der größte Unterschied zu den bisherigen Methoden ist, dass nicht zwingend fremdes Genmaterial im Spiel ist. Stattdessen wird die DNA “umgeschrieben”. Die “Genscheren” durchtrennen die DNA an einer oder mehreren Stellen. Bei der Reparatur der DNA werden dann bestimmte Gene entfernt, stillgelegt, ergänzt oder verändert.
Die Saatgut-Industrie argumentierte bisher, dass diese Methoden ohne den Einsatz von Fremd-DNA nicht Gentechnik per se sind.
Erste durch „Gene-Editing“ veränderte Pflanze bereits auf dem Markt
In den USA und Kanada ist schon seit einigen Jahren ein Raps der amerikanischen Firma “Cibus” auf dem Markt, der mit einem „Gene-Editing”-Verfahren verändert wurde. Andere genmanipulierte Pflanzen und Tiere sind auf dem Weg zur Marktreife. In Österreich sind diese bislang jedoch nicht erlaubt.
Risiken der neuen Verfahren nicht absehbar
Befürworter von neuer Gentechnik versuchen mit Begriffen wie „Präzisionsgentechnik“ den Eindruck zu erwecken, die neuen Methoden wären exakter als herkömmliche Gentechnik. Doch die Risiken sind auch weiterhin nicht abzuschätzen. So kann es neben sogenannten „on-target-effects“, also DNA-Veränderungen an einem vorbestimmten Ort auch zu „off-target-effects“ kommen, die ungewollt und somit unkontrolliert wären.
Greenpeace fordert deshalb auch für neue Gentechnik-Methoden eine umfangreiche und individuelle Risikobewertung der einzelnen Organismen. Zudem muss mit einer deutlichen Kennzeichnung die Wahlfreiheit der Konsumentinnen und Konsumenten gewährleistet werden.
17 EU-Staaten nutzen die Ausstiegsklausel
Auch herkömmliche Gentechnik-Pflanzen wie der genveränderte Bt-Mais MON810 sind in Europa bis dato nicht weit verbreitet. Der Großteil wird in Spanien und Portugal angebaut. 17 andere EU-Staaten, darunter auch Österreich, haben sich mittels einer Ausstiegsklausel vom Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen distanziert. Mit dieser verbieten sie den Anbau jeglicher gentechnisch veränderten Pflanzen auf ihrem Territorium. Dies gilt auch, wenn diese Pflanzen von der EU zugelassen werden.
Es braucht keine Gentechnik um gesunde Lebensmittel für uns alle zu produzieren. Die Bäuerinnen und Bauern in Österreich zeigen das tagtäglich.