Chronik: Summ, summ, hurra!
Von Helena Prinz
Gefühlte drei Sekunden vor Redaktionsschluss der Printausgabe hat uns doch noch jene Nachricht erreicht, auf die wir alle seit Tagen gewartet und gehofft haben: die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union haben sich auf ein Verbot von drei Pestiziden aus der Gruppe der Neonikotinoide geeinigt. "Wir haben endlich erreicht, wofür wir jahrelang gekämpft haben", freut sich unser Landwirtschaftssprecher Sebastian Theissing-Matei. Der Einsatz der Wirkstoffe Imidacloprid, Clothianidin und Thiamethoxam ist damit ab sofort auf sämtlichen europäischen Feldern verboten. Ein Meilenstein für den Schutz der Bienen und anderer Bestäuberinsekten. Die drei Stoffe wirken nämlich höchst aggressiv auf das Nervensystem und führen in weiterer Folge zum Tod der Tiere.
Greenpeace hat bereits 2013 ein Verbot eben genau dieser drei Neonikotinoide gefordert - mit Verweis darauf, dass diese Bienen töten und damit unsere Ernährungssicherheit gefährden. Die Stärke der Industrie-Lobby und die Schwäche wirtschaftshöriger PolitikerInnen haben einen Durchbruch beim Bienenschutz aber immer wieder verzögert. "Auch in Österreich, wo sich das ÖVP-geführte Landwirtschaftsministerium lange Zeit gegen ein Verbot eingesetzt hatte", so Theissing-Matei.
Der Weg hin zum Verbot von Imidacloprid, Clothianidin and Thiamethoxam war also alles andere als einfach. Es benötigte zahlreiche Aktionen, Feldtests, wissenschaftliche Studien und den vollen Druck unserer UnterstützerInnen, um die EntscheidungsträgerInnen endlich davon zu überzeugen, diese Gifte von unseren Feldern und damit unseren Tellern zu verbannen. Im Folgenden eine Chronologie der Ereignisse:
Jänner 2013: Greenpeace fordert ein EU-weites Verbot von drei besonders bienengefährlichen Pestiziden: Imidacloprid, Clothianidin, Thiamethoxam.
März 2013: Die EU-Kommission schlägt eine Einschränkung der Pestizide vor. Eine erste Abstimmung geht jedoch Ergebnislos zu Ende. Österreichs Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) versucht das Verbot zu verhindern.
April 2013: Mit einer Aktion vor dem österreichischen Lebensministerium forderten mehr als 30 Greenpeace-Aktivistinnen und -Aktivisten von Bundesminister Berlakovich endlich gegen das Bienensterben aktiv zu werden und sich für ein Verbot der bienengiftigen Pestizide einzusetzen. Als Bienen verkleidete Aktivistinnen und Aktivisten erkletterten dafür die Bögen des Ministeriums.
Mai 2013: Erster (Mini-)Erfolg: Gegen den Willen Berlakovichs werden in Brüssel für die drei Neonicotinoide Imidacloprid, Clothianidin, Thiamethoxam Teilverbote beschlossen. Damit dürfen diese Pestizide auf für Bienen besonders attraktiven Pflanzen nicht mehr eingesetzt werden. Ein erster Schritt, aber defintiv zu wenig, um effektiv gegen das Bienensterben vorzugehen.
April 2014: Greenpeace deckt auf, dass ein Großteil der Zierpflanzen in österreichischen Gartencentern und Bauhäusern mit Bienengiften belastet ist. In Deutschland protestieren unsere KollegInnen auf der Generalversammlung des Pharmariesen und Neonikotinoid-Produzenten Bayer.
Mai 2014: Rund 1000 Greenpeace-AktivistInnen und -Freiwillige machen in 110 Städten auf die zentrale Rolle von Bienen und anderen Bestäubern für die Landwirtschaft aufmerksam. Aktionen finden von Hamburg bis Rom, von Sofia bis Malaga und auch in Wien statt.
Juni 2015: Greenpeace veranstaltet eine Konferenz zu ökologischer Landwirtschaft und stellt einmal mehr den Bienenschutz und Biodiversität als integrale Bestandteile einer funktionierenden und gesunden Lebensmittelproduktion in den Fokus.
April 2016: Ein Greenpeace-Test zeigt, dass Zierpflanzen weiterhin häufig mit Bienenkillern belastet sind und Baumärkte und Gartencenter teilweise selber noch Bienenkiller-Pestizide für den Gartengebrauch verkaufen. Bauhaus nimmt diese Pestizide darauf hin aus dem Sortiment.
Juni 2016: Auf einer Wiese im oberösterreichischen Steyr schuf Greenpeace gemeinsam mit Anwohnerinnen und Anwohnern sowie mit Freiwilligen aus ganz Österreich mehr Lebensraum für Bienen. Auf der rund 1.500 Quadratmeter großen Fläche, die ein Greenpeace-Unterstützer zur Verfügung gestellt hat, entsteht ein kleines Bienenparadies, das als Vorzeigeprojekt für ähnliche Initiativen in ganz Österreich dienen soll.
Dezember 2016: Die Supermarktkette Hofer schließt acht für Bienen und Wildbienen besonders gefährliche Insektizide aus der Produktion von Obst, Gemüse und Schnittblumen aus, darunter auch die drei Neonikotinoide.
Jänner 2017: Greenpeace-Studie zu Pestiziden: Risiko für Wildbienen und andere Tiere größer als angenommen. Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide bedrohen nicht nur Bienen, sondern auch andere Lebewesen ernsthaft. Das geht aus einer von Greenpeace veröffentlichten Studie hervor. Unabhängige Wissenschaftler der University of Sussex haben dafür die Ergebnisse von hunderten wissenschaftlichen Untersuchungen der letzten Jahre überprüft. Ihr Fazit: Neonicotinoide sind in der Umwelt allgegenwärtig und kontaminieren Gewässer, Böden und Vegetation.
März 2017: Zum Anbau von Nahrungsmitteln werden in Österreich immer noch Neonicotinoide eingesetzt. Greenpeace hat in den zwei österreichischen Hauptanbaugebieten für Erdäpfel – im Marchfeld und in der Nähe von Hollabrunn - insgesamt sechs Erdproben genommen. Das Umweltbundesamt hat diese auf Pestizide untersucht. Das Ergebnis: In fast allen Feldern, auf denen Erdäpfel nach konventionellen Methoden angebaut werden, wurden „Bienenkiller“ gefunden.
Februar 2018: Die Europäische Kommission schlägt zum ersten Mal ein fast vollständiges Verbot von den drei Neonikotiniden Imidacloprid, Clothianidin und Thiamethoxam vor. Viele EU-Staaten stemmen sich jedoch gegen den Vorschlag oder wollen Ausnahmeregelungen – wie etwa auch Österreich.
April 2018: Kurz vor der Abstimmung unterstützt endlich auch Österreich den Vorschlag der Kommission für ein fast vollständiges Verbot und versucht auch nicht mehr Ausnahmen zu erwirken.
27.April 2018: Die Mitgliedstaaten der EU beschließen ein Totalverbot der drei Neonikotinoide auf europäischen Feldern. Lediglich in Gewächshäusern bleibt der EInsatz unter Bedingungen - nämlich dann, wenn die Pflanze ihren gesamten Lebenszyklus im Glashaus bleibt - erlaubt.
Ob vor dem österreichischen Landwirtschaftsministerium oder auf den Generalversammlungen der Chemieriesen Bayer und Syngenta: unsere AktivistInnen waren vor Ort und haben die Mächtigen über Jahre hinweg an Ihre Verantwortung erinnert. Gemeinsam mit unseren UnterstützerInnen auf der ganzen Welt haben wir schlussendlich genügend Druck aufbauen können und ein Verbot der gefährlichen Gifte erreicht. Manchmal müssen UmweltschützerInnen eben einen langen Atem haben und hartnäckig bleiben.
Übrigens: Dass Landwirtschaft ganz ohne Pestizide auskommen kann, beweist Erich Stekovics aus dem Burgenland bereits seit Jahren. Im Rahmen unserer Kampagne haben wir ihn deshalb besucht, uns angesehen, wie er das macht und über die (Irr-)wege moderner Landwirtschaft gesprochen.