Verstrahlte Gegenwart
Der 11. März 2011 bleibt einer der tragischsten Tage in der Geschichte Japans. In Folge eines Seebebens rollte eine meterhohe Welle über die Küste des Landes hinweg und riss tausende Menschen in den Tod. Im beschädigten Atomkraftwerk Fukushima Daichii kam es zur Kernschmelze: Noch heute ist die verstrahlte Region eine Gefahr für jegliche Lebensform. Dennoch plant die Regierung eine Wiederbesiedlung des kontaminierten Gebiets – auf Kosten jener, die vor sechs Jahren alles verloren haben.
Riskante Rückkehr ins verstrahlte Heim
Sie schienen beinahe unwirklich, jene apokalyptischen Bilder, die vor sechs Jahren von Japan aus um die Welt gingen. Einstürzende Häuser, eine tödliche braunschwarze Wasserwalze und tausende Menschen in Todesangst. Dann der nächste Schock: Im küstennahen Atomkraftwerk Fukushima Daichii kommt es zur mehreren Explosionen, dunkle Wolken steigen über den Reaktoren auf. 160.000 Menschen müssen fliehen - im Gepäck nur die Ungewissheit, ob man je zurückkehren würde.
Sechs Jahre nach dem Unglück plant die Regierung die erneute Besiedlung des kontaminierten Gebiets. Nutznießer der aufgehobenen Evakuierungszone ist der AKW-Betreiber Tepco, der folglich keine Entschädigung mehr an die Betroffenen auszahlen muss. Diesen bleibt aus finanzieller Not oftmals nur die Rückkehr in ihre verstrahlten Häuser: Das gesundheitliche Risiko ist dabei enorm.
Erst vergangenen November hat Greenpeace Messungen in der Region vorgenommen. Die Ergebnisse waren alarmierend. „In einer der verstrahlten Häuser zurückzukehren käme auf den gleichen Effekt eines wöchentlichen Röntgens. Die Menschen müssen unbedingt finanziell entschädigt werden, wenn sie sich gegen eine Rückkehr entscheiden“, fordert Adam Pawloff, Anti-Atomsprecher von Greenpeace.
„Das Leid und die Ungerechtigkeit in Folge eines Atomunfalls gehen weit über das Messbare hinaus“
Eine aktuelle Greenpeace-Studie zeigt, dass das Unglück nicht nur von gesundheitlichen, sondern auch von psychosozialen Folgen begleitet wird. Vor allem Frauen leiden unter den Ereignissen.
Bereits in den Evakuierungszentren wurde eine starke Missachtung der Bedürfnisse von Frauen beobachtet. Aufgrund des erhöhten Risikos an Krebs zu erkranken oder Kinder mit Erbschäden zu gebären, verloren sie vielerorts an Ansehen. Durch den drohenden Wegfall der Entschädigungszahlungen spitzt sich ihre Notlage nun zu. Die Atomkatastrophe hat somit die Kluft in der männlich dominierten japanischen Gesellschaft zusätzlich verstärkt.
Eine Rückkehr ins verstrahlte Heim ist keine Alternative. „Vor allem für Familien mit Kindern ist es nicht möglich, ein normales Leben ohne Strahlenrisiko rund um die Unglücksreaktoren zu führen“, erklärt Pawloff. „Das Leid und die Ungerechtigkeit in Folge eines Atomunfalls gehen weit über das Messbare hinaus. Atomkraft schadet auch einer demokratischen Gesellschaft.“