Gemeinnützigkeitsreform: Gesetz vor morgigem Beschluss die Giftzähne ziehen
Wien - Greenpeace begrüßt die öffentliche Zusage von Finanzminister Magnus Brunner, die schweren verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf das Gemeinnützigkeitsreformgesetz ernst zu nehmen, und fordert eine Reparatur des Gesetzes in letzter Minute. Verfassungs- und Verwaltungsjurist Heinz Mayer hatte das Gesetz vergangene Woche als verfassungswidrig kritisiert. Er appelliert nun an Finanzminister Magnus Brunner und Vizekanzler Werner Kogler, diesen Missstand rechtzeitig vor dem morgigen Finanzausschuss zu beheben. Mit dem vorliegenden Gesetz könnten Finanzbeamt:innen künftig kritischen Vereinen und Organisationen die Spendenabsetzbarkeit einfach per Bescheid entziehen und sie so finanziell ruinieren. Das Gesetz soll morgen im Finanzausschuss beschlossen und dann im Plenum des Nationalrats (13.-15. Dezember) endgültig abgestimmt werden.
Verfassungs- und Verwaltungsjurist Mayer: “Der Gesetzentwurf verstößt gegen die Verfassung, da eine aufschiebende Wirkung von Rechtsmitteln gegen eine Entscheidung des Finanzamts ausgeschlossen ist. Behördliches Fehlverhalten könnte also im schlimmsten Fall existenzbedrohend für Organisationen sein. Dem Gesetz müsste beigefügt werden, dass Beschwerden gegen Bescheide, die die Spendenabsetzbarkeit aberkennen, sehr wohl aufschiebende Wirkung haben.”
Konfrontiert mit der Kritik am geplanten Gesetz im Rahmen einer Pressekonferenz vergangenen Donnerstag hatte Finanzminister Magnus Brunner die Zusage gemacht, die verfassungsrechtlichen Bedenken ernst zu nehmen. “Der Finanzminister muss seinen Ankündigungen nun auch Taten folgen lassen”, fordert Greenpeace-Geschäftsführer Alexander Egit, und betont: “Noch kann man dem Gesetz die gefährlichen Giftzähne ziehen. Der morgige parlamentarische Finanzausschuss ist entscheidend. Bevor das Gesetz dort beschlossen wird, müssen dringend die von Spitzenjuristinnen und -juristen empfohlenen Änderungen vorgenommen werden.”
Das Gemeinnützigkeitsreformgesetz in der jetzigen Form bringt einen Angriff durch die steuerliche Hintertür auf die Zivilgesellschaft. Gemeinnützige Organisationen würden mit der Aberkennung der Absetzbarkeit von Spenden existenzbedrohende wirtschaftliche Einbußen erleiden. Eine solche Aberkennung kann mit dem neuen Gesetz unter anderem dann erfolgen, wenn zivilgesellschaftlicher Protest entsprechende Verwaltungsstrafen nach sich zieht. Das könnte etwa schon passieren, wenn eine Organisation ein Transparent an einem öffentlichen Gebäude anbringt. Laut den Gesetzesplänen würden Finanzbeamt:innen außerhalb eines ordentlichen Gerichtsverfahrens darüber entscheiden, ob wegen wiederholter Verwaltungsübertretungen Spenden weiter abgesetzt werden können. Eine Reihe an Organisationen, darunter die Volkshilfe, Attac und Fridays for Future, sowie die ehemalige OGH-Präsidentin Irmgard Griss und die SPÖ hatten sich der Greenpeace-Kritik am Gesetz vergangene Woche angeschlossen.
Das Fact Sheet zum Gemeinnützigkeitsreformgesetz finden Sie hier: https://bit.ly/3RiPEw7
Das Rechtsgutachten finden Sie hier: https://bit.ly/47Wu7yE