Greenpeace-Analyse des Regierungsprogramms: Schlechtes Zeugnis für schwarz-blaue Vorhaben
Wien – Die Vorhaben der schwarz-blauen Regierung sind aus ökologischer Sicht derzeit klar unzureichend. Zu diesem Ergebnis kommt Greenpeace nach einer ausführlichen Analyse des ÖVP-FPÖ-Regierungsprogramms. Geprüft wurden unter anderem die Kapitel Umwelt, Landwirtschaft und Verkehr. Greenpeace kritisiert außerdem die drohende Beschneidung von Umweltrechten zu Gunsten von Großprojekten. Ein Schlag für den Umweltschutz seien auch die Sonderklagerechte für Konzerne, die Österreich mit dem CETA-Umfaller der FPÖ ins Haus stehen.
„Überall dort, wo es um den Abbau von Umweltrechten geht, ist das Regierungsprogramm wesentlich konkreter als dort, wo es um den Schutz der Umwelt geht“, sagt Greenpeace-Sprecher Herwig Schuster. Unter dem Deckmantel der Verfahrensbeschleunigung und -vereinfachung solle offenbar gesichert werden, dass im Zweifelsfall Wirtschaftsinteressen vor Umweltschutz-Anliegen gestellt werden. Gleich in mehreren Passagen des Regierungsprogramms wird klargestellt, dass die Genehmigung politisch gewollter großer Bauvorhaben in Zukunft einfacher und schneller durchsetzbar sein soll. „Großprojekte sollen auf Biegen und Brechen durchgepeitscht werden können. Das ist eine Retro-Umweltpolitik aus den Zeiten vor der Hainburg-Bewegung“, sagt Schuster.
Scharfe Kritik übt Greenpeace auch an der im Programm enthaltenen Ratifizierung und Umsetzung von CETA. „Damit hat die FPÖ ein zentrales Wahlversprechen gebrochen hat. Sonderklagerechte für Konzerne werden nun endgültig Realität. Das schadet Mensch und Umwelt“, so Schuster.
Umwelt und Energie. Was den Klimaschutz betrifft, finden sich laut Greenpeace viele allgemeine Ansagen ohne konkrete Maßnahmen und Zeitpläne im Programm. Einzig beim Ökostrom-Ausbau wird es konkret. Schuster: „100 Prozent erneuerbare Energie bis 2030 hat schon Ex-Bundeskanzler Werner Faymann anvisiert. Ankündigungen reichen aber nicht. Wir erwarten uns von der Bundesregierung einen konkreten Ausbaupfad mit jährlich überprüfbaren Zwischenzielen.“ In Sachen Klimaschutz dürfe man keinesfalls auf die längst überfällige Fertigstellung der Klima- und Energiestrategie warten. „Mit dieser Hinhaltetaktik muss Schluss sein“, so Schuster. Äußerst beunruhigend seien in dem Zusammenhang die unzureichenden Ankündigungen im Bereich der Raumwärme. „Ein teilweises Festhalten an Ölheizungen ist vollkommen unvereinbar mit den Klimazielen. Umweltministerin Elisabeth Köstinger muss hier für klare Vorgaben im Sinne des Klimaschutzes sorgen und konkrete Maßnahmen für einen raschen Umstieg auf 100 Prozent erneuerbare Wärme vorschlagen“, sagt Schuster. Zu den klassischen Umweltschutzthemen wie Gewässerschutz oder Luftqualität sowie auch bei Ressourcenschonung und Abfall finden sich im Regierungsprogramm so gut wie keine Maßnahmen und nur sehr vage Überschriften oder allgemein gehaltene Ankündigungen. Die Pläne im Bereich Anti-Atom bewertet Greenpeace positiv. Ob es die Bundesregierung damit auch ernst meint, werde man bald wissen. „Die erste Nagelprobe wird der Bau des ungarischen Atomkraftwerks Paks II sein. Die Bundesregierung hat laut den Statuten des Europäischen Gerichtshofes bis zum 25. Februar Zeit, gegen die beihilferechtliche Entscheidung der EU-Kommission zu klagen und so den Bau dieses grenznahen AKWs doch noch zu verhindern“, so Schuster. Eine entsprechende Aufforderung durch Greenpeace erging bereits postalisch an die zuständigen Ministerien.
Verkehr. Der Straßenverkehr verursacht rund ein Drittel der Treibhausgase in Österreich. Um die Klimaziele zu erreichen, brauche es darum eine Mobilitätswende. Im Kapitel Verkehr des Regierungsprogramms bleibe das jedoch völlig ausgespart. „Wenn es die Regierung mit dem Klimaschutz ernst meint, muss sie die Abgase im Verkehr senken. Die Regierung will jedoch Flughäfen ausbauen, neue Straßen errichten und hat keine Maßnahmen vorgesehen, um das Zeitalter des Verbrennungsmotors zu beenden. Für den Klimaschutz sind das äußerst schlechte Nachrichten“, so Schuster.
Landwirtschaft. In Sachen Glyphosat ist die Rede von einem Aktionsplan zum Ausstieg von Glyphosat. Der konkrete Beschluss eines vollständigen Verbots findet sich derzeit aber nicht im Programm. „Glyphosat hat weder auf dem Acker noch in unserem Essen etwas verloren, deshalb braucht es rasch ein umfassendes Verbot“, so Schuster. Zum Schutz der Bienen und zur Erhaltung der Insektenvielfalt sei ein generelles Pestizid-Reduktionspogramm das Gebot der Stunde. Allerdings findet sich im Regierungstext nicht der kleinste Hinweis darauf. Auch ortet Greenpeace strategische Widersprüche: Eine Exportstrategie im Bereich Landwirtschaft sei nicht vereinbar mit dem Ziel, einen Selbstversorgungsgrad von 100 Prozent gesunden Lebensmitteln erreichen zu wollen. Schuster: „Wir brauchen regionale Wirtschaftskreisläufe. Lebensmittelproduktion primär für die Region sollte Vorrang vor Exportoffensiven und Weltmarktfantasien haben.“ Wenn Österreich Bio-Vorreiter bleiben will, dann müsse das auch mit einem ambitionierten Bio-Aktionsplan unterstützt werden. „Bio ist die beste Wahl, um gesunde und ökologisch erzeugte Lebensmittel zu produzieren. Hier muss die Regierung definitiv nachliefern“, so Schuster.
Bereits vor der Angelobung hatte Greenpeace der Bundesregierung eine 100-Tage-Frist gesetzt und für diesen Zeitraum einen Öko-Check angekündigt. „Wir geben der neuen Regierung 100 Tage Zeit, um zu zeigen, ob ihr etwas am Schutz von Klima und Umwelt liegt. In diesem Zeitraum erwarten wir uns den Beschluss von ersten konkreten Maßnahmen inklusive Zeit- und Ressourcenplänen für die einzelnen Themenbereiche“, sagt Schuster. Minuspunkte werde es für alle Schritte geben, bei denen der Umweltschutz in Österreich unter die Räder kommt. Schuster: „Einem Rückschritt in Sachen Umweltschutz oder einem Angriff auf Umweltrechte werden wir uns entschieden entgegenstellen.“
Die ausführliche Greenpeace-Analyse des Regierungsprogramms finden Sie hier: https://goo.gl/QYtrsG