Demokratie
Watchdog und Ideengeber – die Zivilgesellschaft in der Demokratie
Neben den klassischen 3 Gewalten der Demokratie (Legislative, Exekutive und Judikative) haben sich die Medien in den letzten Jahren als 4. Gewalt weithin etabliert. Sie erfüllen unser Recht auf Information und Meinungsfreiheit und decken Missstände in Politik und Wirtschaft auf. Eine ähnliche Kontrollfunktion nimmt auch die Zivilgesellschaft wahr.
Ein gesellschaftliches Bekenntnis zu den grundsätzlichen BürgerInnen- und Menschenrechten und eine stabile Demokratie sind die Grundlagen vergangener Erfolge Österreichs. Eine Demokratie muss unterschiedlichste Interessen und diverse Minderheiten berücksichtigen. Nur so können möglichst gute Lösungen gefunden werden.
Dazu braucht es eine Diskussionskultur, die alle zur Teilnahme ermutigt und niemanden ausschließt. Zivilgesellschaftliche Organisationen (NGOs), Vereine und Initiativen sind die organisierte Form dieser Interessen. Als wichtiger Teil der Zivilgesellschaft müssen sie unbedingt in politische Prozesse eingebunden werden.
Demokratie in Gefahr – auch in Österreich?
Seit einiger Zeit gibt es in Europa, wie auf der ganzen Welt, wieder stärkere antidemokratische Tendenzen. In Österreich herrschen zwar grundsätzlich demokratische Verhältnisse, doch auch hier gibt es beunruhigende Entwicklungen. Der jährliche Demokratiereport der Universität Göteborg stufte Österreich 2022 sogar von einer liberalen Demokratie auf eine bloße Wahldemokratie zurück – ein deutlicher Weckruf. Als Grund für die Rückstufung wurde unter anderem fehlende Transparenz in Politik und Verwaltung angegeben.
Greenpeace setzt sich gegen antidemokratische Entwicklungen in Österreich ein. Zusammen mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen haben wir 2019 10 Forderungen für Zivilgesellschaft und Freiwilligenarbeit in Österreich erarbeitet. Unter anderem fordern wir die Anerkennung der zivilgesellschaftlichen Organisationen als „fünfte Säule der Demokratie”. Im Zuge dessen soll sich die Datenbasis über diesen Bereich verbessern. Wir setzen uns außerdem für den Erhalt grundlegender Rechte wie der Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit sowie dem Demonstrationsrecht ein. Ohne diese wäre unsere Arbeit als NGO kaum möglich. Letztlich fordert Greenpeace die Stärkung der unabhängigen Medienlandschaft und der wissenschaftlichen Institutionen. Sie sind es, die eine informierte Öffentlichkeit schaffen, die aufgeklärt an demokratischen Prozessen teilnehmen kann.
Korruption und Korrumpierung
Dass Österreich ein Problem mit Korruption hat, ist nichts Neues. In den letzten Jahren reihte sich ein Skandal an den nächsten: Eurofighter, BUWOG, Chat-Affäre; die Liste lässt sich lange fortführen. Spätestens seit dem Ibiza-Video ist das Thema auch medial voll angekommen.
Doch was hat Korruption mit der Arbeit von Greenpeace als Umweltschutzorganisation zu tun? Die Antwort ist relativ simpel: Korruption ist Gift für den Umweltschutz. Sie unterwandert demokratische Entscheidungen zum Vorteil einiger weniger. In einem korrupten System können wir nicht zielführend arbeiten.
Umweltkorruption – wie der Umweltschutz unterwandert wird
Für uns ist klar, dass wir gegen Klima- und Artenkrise nur mit starken Gesetzen ankommen. Die Zeit freiwilliger Einschränkungen der Wirtschaft sind vorbei. In den letzten Jahren wurden solche Gesetze jedoch häufig durch Einmischen der Industrie abgeschwächt oder sogar ganz verhindert. Greenpeace fand zum Beispiel heraus, dass Konzerne mittels Lobbying versuchten, ein starkes EU-Waldschutz-Gesetz zu verhindern. Erdölexporteure wollten verhindern, dass der IPCC den schnellen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen als Ziel setzt. Diese Einmischungen müssen wir unterbinden!
Dort, wo es durch das Umweltrecht schon starke Regulierungen gibt, scheitert es häufig an der Durchsetzung. Korrupte Kontrollen klassifizieren Dinge als umweltverträglich, die es nicht sind.
Unternehmen fördern (pseudo-)wissenschaftliche Untersuchungen. So entstehen einseitige Gutachten, die zum Greenwashing umweltschädlicher Praktiken verwendet werden. Gekaufte Medien veröffentlichen dann diese Berichte. So wird ein öffentliches Bild geschaffen, das fernab der Realität liegt.
Korruption tritt eben nicht nur als gefüllter Geldkoffer in Erscheinung – sie kennt viele verschiedene Formen. Diese sind oft gar nicht so leicht zu erkennen. Häufig gibt es schlichtweg Interessenskonflikte, die auf den ersten Blick keine Korruption darstellen, zum Beispiel wenn PolitikerInnen im Aufsichtsrat einer Firma sitzen. Auch das ist jedoch eine indirekte Form der Korruption und verhindert wichtige politische Entwicklungen.
Dazu kommt, dass durch Korruption Steuergeld verloren geht. Allein in Österreich sind das jährlich 12 Milliarden Euro. Dieses Geld fehlt dann für effektive Umweltschutzmaßnahmen und andere wichtige Zwecke.
Korruption torpediert den Umweltschutz also auf allen Ebenen und befeuert Umweltverbrechen massiv. Illegale Rodungen und Fischerei, Wilderei und Tierhandel sind trotz Verboten Realität. Korrupte Institutionen verhindern die Verfolgung dieser Verbrechen.
Wir legen kritische Entwicklungen offen und stehen gegen Korruption ein. Anti-Korruption ist die Grundlage für unsere Arbeit in allen anderen Bereichen.
Der Kampf gegen (Umwelt-)Korruption in Österreich
Auch in Österreich gibt es Fälle von Umweltkorruption. 2021 wurde bekannt, dass in der Steiermark nahezu alle Verfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung großer Bauprojekte ohne entsprechende Prüfung genehmigt wurden. Ähnliche Skandale gibt es immer wieder.
Wie können wir in Österreich also gegen Korruption vorgehen?
Wir fordern Maßnahmen, die Umweltverbrechen weniger profitabel machen. Ein Verbot ist nicht wirklich ein Verbot, wenn es sich gegen eine geringe Strafzahlung umgehen lässt. Wir brauchen strengere Sanktionen, die auch Akteure mit viel Geld abschrecken.
Wir fordern alle Parteien auf, eine starke Antikorruptions-Gesetzgebung zu etablieren.
Besonders wichtig ist die Einführung eines neuen Informationsfreiheitsgesetzes. Österreich ist die letzte europäische Demokratie mit einem Amtsgeheimnis. Das entspricht nicht den Vorstellungen einer modernen Demokratie. PolitikerInnen werden von uns, der Bevölkerung, in ihr Amt gehoben. Wir haben ein Recht darauf, ihre Arbeit transparent verfolgen zu können.
Ebenso muss Österreich endlich die EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern umsetzen. Sie wurde schon 2019 verabschiedet und wäre eigentlich bis Dezember 2021 in nationales Recht umzusetzen gewesen. Die österreichische Regierung hat das versäumt.
Menschen, die den Mut finden, Missstände wie Korruption aufzudecken, müssen unbedingt geschützt werden. Sie bringen Fakten an die Öffentlichkeit, die sonst verborgen blieben.
Entscheidend sind auch unabhängige Medien, die über Korruption berichten und Skandale zum öffentlichen Thema machen.
Es wird Zeit, dass sich Österreich seinem Korruptionsproblem annimmt. Es liegt an der Politik, entsprechende Maßnahmen umzusetzen.
Der effektive Kampf für den Umweltschutz setzt den Kampf gegen Korruption voraus. Herrscht Korruption vor, können wir uns nicht mehr auf den Staat und seine Kontrollorgane verlassen. Wir sehen es deshalb als unsere Aufgabe an, aufzuzeigen, wo der Staat versagt.
Greenpeace beobachtet politische Entwicklungen in Österreich und auf der ganzen Welt und setzt sich entschlossen für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ein.