Tiefseebergbau: Der neue Goldrausch
Sinnlos, naturfeindlich und garantiert nicht "sauber"
Früher tauchten Schatzsuchende zum Meeresgrund, um versunkene Truhen, gefüllt mit Golddukaten, Edelsteinen und Schmuck, zu bergen. Heute ist der Meeresgrund selbst Ziel eines neuen Goldrausches geworden: Die Tiefseebergbau-Industrie will dort seltene Metalle abbauen. Ihr Argument: Wir brauchen diese Metalle, um die Elektromobilität voranzubringen. Was ist dran an dieser Behauptung? Ein Überblick über die Tiefsee und das Potenzial des Tiefseebergbaus.
Was ist die Tiefsee?
Ab einer Tiefe von 200 Metern beginnt die Tiefsee. Der tiefste Punkt des Meeresbodens ist der Marianengraben im Pazifik, mit einer Tiefe von fast 11.000 Metern.
Auf den ersten Blick scheint die Tiefsee ein wahrlich unwirtlicher Ort zu sein: Es herrscht völlige Finsternis, weil das Licht der Sonne nicht in die tiefen Wasserschichten vordringen kann, hier wachsen keine Pflanzen und die Temperaturen liegen bei ca. 4°C oder darunter. Mit zunehmender Tiefe steigt auch der Druck, sodass in 10.000 Metern Tiefe das Gewicht von rund einer Tonne auf jedem Quadratzentimeter lastet. Daher ging die Wissenschaft bis Mitte des 19. Jahrhunderts davon aus, dass die Tiefsee ein unbewohnter, lebloser Ort sei. Doch dann entdeckten Forschende Tiere an einem Telegraphenkabel in 1.800 Meter Tiefe. Seitdem nimmt die Zahl der gefundenen Tiere ständig zu, sodass wir heute wissen: In den unwirtlichen Bedingungen haben sich hunderttausende Arten entwickelt, viele mit bizarrem Äußeren, denen sie auch ihre Namen verdanken: Vampirtintenfisch, Anglerfisch oder die Seefledermaus. Pottwale tauchen in bis zu 1.000 Meter Tiefe, um hier Riesenkalmare zu jagen, jene Seeungeheuer, über die jahrhundertelang Seemannsgarn gesponnen wurde. In den allertiefsten Gräben finden sich vor allem Mikroorganismen, Muscheln, Borstenwürmer und Seegurken.
Weil in der Tiefsee aufgrund des Sonnenlichtmangels keine Pflanzen wachsen, ernähren sich die Lebewesen von organischem Material, das aus den höheren Schichten herabsinkt. Der sogenannte “Meeresschnee” besteht aus Überresten pflanzlicher und tierischer mariner Organismen, die sich zu Aggregaten von einigen Zentimetern Durchmesser verbinden und wie Flocken in die Tiefe “schneien”.
Trotz des fehlenden Sonnenlichts ist es in der Tiefsee nicht unbedingt stockdunkel. Ähnlich wie Glühwürmchen scheinen rund 90 Prozent der Tiefseebewohner in der Lage zu sein, ihr eigenes Licht zu erzeugen. Ein prominentes Beispiel dieser Biolumineszenz ist der Anglerfisch, an dessen Kopf ein Fortsatz wächst, der einer Angel ähnelt. Der “Köder” leuchtet und lockt so Beute an, während der Anglerfisch im Dunkeln verborgen bleibt.
Was sind Manganknollen?
Der Schatz, den die Tiefseebergbau-Industrie auf dem Meeresboden sucht, heißt Manganknolle. Sie befinden sich in einer Tiefe von 3.000-6.000 Metern, insbesondere im Pazifischen Ozean. Man kann sie sich als braun-schwarze Mineral-Klumpen vorstellen, die in Form und Größe einer Kartoffel ähneln und lose auf dem Meeresboden verstreut liegen. Sie sind hier in einem Schneckentempo gewachsen, gerade einmal wenige Millimeter in einer Million Jahren. Sie bestehen vorwiegend aus Mangan- und Eisenverbindungen, enthalten aber auch andere Metalle. Wirtschaftlich ebenfalls interessant sind Nickel, Kupfer und Kobalt, die in der Masse aber nur bis etwa 3% einer Manganknolle ausmachen.
Auf Manganknollen wachsen unterschiedlichste Wesen wie Korallen und gestielte Schwämme. Sie bilden wiederum eine wichtige Lebensgrundlage für andere, bewegliche Arten. Ein Beispiel ist eine erst vor wenigen Jahren entdeckte Mini-Krake, die aufgrund ihres transparenten, geisterhaften Aussehens “Casper” getauft wurde. Sie legt ihre Eier auf die Manganknollen, klammert sich an den dort wachsenden Schwämmen fest und bewacht ihre Brut bis zu vier Jahre lang.
Wie funktioniert Tiefseebergbau?
Unter Tiefseebergbau verstehen wir die Förderung von Rohstoffen, in der Regel Metalle, ab einer Tiefe von 800 Metern. Dafür wurden gigantische, ferngesteuerte Maschinen, die Planierraupen ähneln, entwickelt. Sie können dem enormen Wasserdruck standhalten und werden auf den Meeresgrund herabgelassen. Hier entfernen sie die oberste dünne Schicht und sammeln die begehrten Manganknollen aus dem Sediment. Diese werden dann durch ein Steigrohrsystem zu einem Schiff an die Wasseroberfläche gepumpt und zur weiteren Bearbeitung an Land transportiert.
Welche für Energiewende und Elektroautos benötigten Metalle finden wir in der Tiefsee?
In der Tiefsee können die folgenden Stoffe gefunden werden: Mangan, Nickel, Molybdän, Kobalt, Yttrium, Tellur und Thallium sowie verschiedene weitere Metalle wie Vanadium, Lithium, Wolfram und Wismut. Die Batterien von Elektroautos benötigen große Mengen an Lithium, Kobalt, Nickel und Mangan. Windkraftanlagen und Photovoltaik brauchen große Mengen an Kupfer. Für die Herstellung und Speicherung von Wasserstoff ist Nickel essentiell. Die Krux ist: Nicht alles, was in den Manganknollen enthalten ist, kann auch herausgelöst werden.
Wenn nicht Tiefseebergbau, was dann?
Die Antwort lautet: Kreislaufwirtschaft und weniger Konsum. Der steigende Bedarf von Metallen kann langfristig nur gedeckt werden, wenn wir mehr Energie in Recycling stecken. Hierfür ist Ökodesign unverzichtbar, das heißt: Recycling muss bereits bei Herstellung und im Design des Produkts (etwa der E-Autos) mitbedacht sein. Aktuell können viele Metalle nur unter hohem Aufwand recycelt werden. Echtes Recycling bedeutet, in die Technologien für die Rückgewinnung beispielsweise auch von Lithium zu investieren. Die Technologien bestehen, werden aber noch viel zu wenig angewendet. Auch müssen kaputte Geräte, wie Smartphones, die auch Lithium und andere Metalle benötigen, einfacher repariert werden können, damit Alternativen zum Neukauf bestehen.
Wann soll der Tiefseebergbau starten?
Bisher wird Tiefseebergbau noch nicht praktiziert, das kann sich aber demnächst ändern: Für Gebiete in Papua-Neuguinea, Ozeanien und im Roten Meer gibt es bereits Abbaulizenzen. Die meisten Tiefseegebiete befinden sich aber außerhalb der Hoheitsgewässer einzelner Länder. Hier können Unternehmen bisher nur Erkundungslizenzen beantragen, weil diese Gebiete als “Erbe der Menschheit” klassifiziert sind und die Rohstoffe allen Menschen gehören. Verwaltet werden sie von der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA).
Für den drohenden Start des Tiefseebergbaus in den Weltmeeren sind die Verhandlungen des ISA-Rats entscheidend. Am 31.03.23. endete das letzte ISA-Treffen, bevor am 9. Juli 2023 eine Zweijahresfrist abläuft, die der Inselstaat Nauru als Antragsteller stellvertretend für das Unternehmen “The Metals Company” ausgelöst hat.
Wenn der Rat sich nicht auf ein Moratorium einigt, ist es der Tiefseebergbauindustrie juristisch schon vor der nächsten Ratssitzung im Juli möglich, Abbau-Anträge auf Grundlage unvollständiger Regularien zu stellen.
Noch können wir den Tiefseebergbau verhindern. Unsere Expert:innen setzen daher alle Hebel in Bewegung, um den einzigartigen Lebensraum zu schützen!
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Schon bald wollen Bergbaukonzerne mit ihren Monstermaschinen die Tiefsee nach Rohstoffen umgraben. Das könnte das Leben in der Tiefe für immer zerstören. Gemeinsam stoppen wir den Tiefseebergbau!
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